In meinen College-Tagen, als die Märkte boomten, gab mir mein Vater 1.000 Dollar mit der Auflage, das Geld zu investieren. Er hatte eine Biografie von Warren Buffett gelesen und forderte mich auf, „wie Warren Buffett zu werden“. Ich wusste nicht viel über Investieren, sicherte meinem Vater aber zu, mich mit dem Thema zu beschäftigen.
Ein Jahr später hatte ich alle grundlegenden Arbeiten über Finanzanlagen förmlich verschlungen. Die Stockpickerbibeln „Intelligent Investieren“ von Benjamin Graham (The Intelligent Investor) und die kanonische Effizienzmarkthypothese „Börsenerfolg ist (k)ein Zufall“ von Burton G. Malkiel (A Random Walk Down Wall Street) haben mich sehr beeinflusst. Mit diesen beiden konkurrierenden Philosophien in meinem Kopf, legte ich die Hälfte meines Geldes in Indexfonds an, und, um dem Wunsch meines Vaters zu entsprechen wie Warren Buffett zu werden, kaufte ich für die andere Hälfte 99 Aktien der Bank of America zu einem Kurs von 50,25 US-Dollar. (Das waren mehr als die 1.000 USD, die er mir gegeben hatte. Den Rest steuerte ich selbst bei, da ich das Gefühl hatte, auch die eigene Haut riskieren zu müssen, um wirklich „dabei“ zu sein.
Meine Prämisse war recht einfach: Die Bank of America hatte eine jahrzehntelange Historie mit steigenden Dividenden, ein einfaches, nachvollziehbares Geschäftsmodell und sah billig aus. Ein paar Monate später war ich begeistert, als Buffett offenbarte, selbst eine neue Beteiligung an der Bank of America erworben zu haben. Ich fühlte mich großartig!
Im Nachhinein betrachtet, hatte ich doppelt Glück: Erstens kaufte ich etwas, kurz bevor Buffett bekanntgab, eingestiegen zu sein. Zweitens: dass mir mein Investment hiernach um die Ohren flog, brachte mich schnell vom Irrglauben ab, besondere Stock-Picking-Fähigkeiten zu besitzen. In einem alternativen Universum, in dem die Bank of America nicht Countrywide Financial gekauft hätte, wäre ich vielleicht zur Überzeugung gelangt, ein brillanter Stockpicker zu sein. Das hätte mich vermutlich auf den riskanten Pfad gebracht, noch mehr zu wagen und im Ergebnis weitaus mehr Geld zu verlieren, als es in der Realität der Fall war.
In der Rückschau kann ich sagen, dass meine Denkprozesse nicht fundiert genug waren, um erwarten zu können, überdurchschnittliche Gewinne zu erzielen. Mein Verfahren war falsch. Auch wenn meine erste Wahl besser gelaufen wäre, wäre es kein Geniestreich gewesen. Mein großer Fehler war, nicht darüber nachzudenken, warum sich andere Anleger die für mich offenkundige, vermeintlich große Chance entgehen ließen. Ich war ein Level-eins-Investor, ein Anfänger. Ich hatte das Glück, dass mir der Markt diese Tatsache frühzeitig klargemacht hat.
Die Gefahren in Level eins
Die denkbar einfachste Definition des Ebene-eins-Denkens ist, „auf neue Informationen in einer typischen Art und Weise zu reagieren“. Das heißt, Sie gelangen auf die gleiche Art und Weise wie andere zu bestimmten Schlussfolgerungen. Das Ebene-eins-Denken ist nicht unbedingt schlecht. Wenn ich mit meiner Hand an einen heißen Ofen komme, werde ich das Offensichtliche tun und sie wegziehen (und vielleicht fluchen). In vielen Fällen ist es sehr naheliegend und auch wichtig, den gesunden Menschenverstand einzusetzen, denn der gesunde Menschenverstand ist in vielen Fällen bzw. Situationen des täglichen Lebens nützlich. Aber die Märkte sind nicht der beste Ort, um diese Art des Denkens einzusetzen. Märkte aggregieren die Bewertungen vieler kluger Köpfe, daher können einzelne Investoren nicht gewinnen, indem Sie hinsehen und – auch - das Offensichtliche tun. (Es gibt natürlich eine Ausnahme, nämlich dann, wenn das „Offensichtliche“ für Sie zutiefst anomal für die meisten anderen Investoren ist).
In der Welt des Ebene-eins-Denkens ist die Strafe der Märkte in der Regel fürchterlich. Da sich viele professionelle Investoren der Torheit des Ebene-eins-Denken bewusst sind, passen sie ihr Verhalten an und lassen die anderen den Preis zahlen. Dabei berücksichtigt das „offensichtliche“ Marktverhalten die Tatsache, dass Investoren darauf achten, was einige Investoren denken, was andere Investoren tun werden. Das Überwinden des Ebene-eins-Denkens ist eine Übung, herauszufinden, mit welchen Kniffen andere Investoren versuchen, die für die Ebene eins typischen rudimentären Verhaltensweisen auszunutzen. (Dies ist eine andere Formulierung des spieltheoretischen „Schönheitswettbewerbs“ des großen Ökonomen John Maynard Keynes.)
Es ist eine ärgerlich selbstreferenzielle Struktur, aber es ist wichtig, sie zu verstehen. Eine verfeinerte Definition des Ebene-Eins-Denkens „auf Marktinformationen reagieren, ohne das Verhalten der übrigen Marktteilnehmer ausreichend zu bedenken“. Die Investoren, die sich ihres Ebene-eins-Denkens nicht bewusst sind und nicht versuchen, dies zu überwinden, spielen ein Spiel, ohne die Regeln zu kennen.
Die Durchschnittsanlegerregel
Ein guter erster Schritt, sich über die Ebene eins hinweg zu entwickeln, ist es, darauf zu achten, in welcher Art und Weise sich die meisten Durchschnittsanleger von den nicht so durchschnittlichen Anlegern unterscheiden. Wenn der Durchschnittsanleger etwas tut, was institutionelle Investoren tun könnten, sie jedoch ablehnen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass er etwas Dummes tut.
Ein Beispiel ist der Kauf einer CBOE-Volatility-Index-bezogenen „Absicherung". Der CBOE-Volatility-Index, oder kurz „VIX“ genannt, ist der wohl bekannteste Volatilitätsindex. Er ist auch als Angst-Index bekannt, da er sich immer besonders stark nach oben entwickelt, wenn die Angst an den Börsen am größten ist. Welchen besseren Weg zur Absicherung gegen Marktrückgänge gäbe es, als die Furcht selbst zu besitzen? Allerdings kann man in den VIX nicht direkt investieren. Finanz-Alchemisten haben Futures entwickelt, die an den VIX gekoppelt sind. Ein Futures-Kontrakt erfordert jeweils zwei Seiten: jemand, der „long“ geht, also kauft, und jemand, der „short“ geht, also verkauft. Der Gewinn eines Anlegers ist der Verlust des anderen. Da einzelne Anleger keinen direkten Zugang zu den VIX Futures-Märkten haben, müssen sie dies indirekt über Indexprodukte tun. Die Anlagedaten zeigen, dass Privatinvestoren überwiegend long beim VIX sind. Durch die Nullsummenlogik von Derivaten müssen institutionelle Anleger also tendenziell short beim VIX sein. Ratet Sie einmal, wie sich VIX-Investitionen long entwickelt haben? Der iPath S&P 500 VIX ST Futures ETN hat seit seiner Einführung im Januar 2009 über 99 % seines Werts verloren.
Die meisten professionellen Investoren arbeiten mit so etwas wie der Durchschnittsanlegerregel. Einer Datenerhebung, der sie gerne folgen, ist die Sentimentanalyse (Individual Investors Survey). Sollten einzelne Investoren bullish auf Aktien sein, also auf steigende Kurse setzen, ist das für die Profis ein Signal, bearish zu sein - und umgekehrt.
Eine Endlosschleife
So könnte es für immer weitergehen. Umfragen bei Investoren machen, die Umfragen bei Investoren machen, die Umfragen machen. Wo wollen Sie aufhören? Eine mögliche Lösung ist, nicht mitzuspielen. Weil Sie nicht wissen, welches Level „das Richtige“ ist. Oder nur auf einen Fonds zu setzen, der nach Marktkapitalisierung gewichtet und selbst keine aktiven Anlagen tätigen?
Keine schlechte Lösung. In der Tat denke ich, das sollte die Standard-Position sein, denn es ist klar, viele Anleger werden auf der Ebene eins verharren und wissen es nicht einmal.
Ich glaube jedoch nicht, dass dies der optimale Weg ist, um zu investieren. Dieses Multi-Level-Spiel, bei dem Menschen versuchen zu antizipieren, was andere erwarten, und so weiter, hat sicher eine Lösung. Ich vermute, dass mit jeder Ebene die wir erklimmen, die Zahl derer, die noch auf unserem Niveau agieren, um mindestens den Faktor 10 sinkt.
An diesem Punkt sollten wir innehalten: Es lassen sich Muster erkennen, nach denen Anleger gerne etwas von der Rendite opfern, im Austausch für eine Art „Service“. Nehmen wir Warren Buffett. Wer sein Unternehmen an Buffett verkauft, weiß, dass er zu wenig bekommt, wenn man den Deal aus einer rein finanziellen Sicht sieht. Wie kann Buffett aber Unternehmen mit einem Abschlag kaufen? Er „verkauft“ die Gewissheit, dass der Manager das Unternehmen wie gewünscht weiterführen kann, und er verkauft die Nestwärme, unter dem schützenden Mantel von Berkshire Hathaway zu sein. In anderen Fällen setzt er seinen Ruf ein. Während der Finanzkrise bot er Sicherheit für notleidende, aber finanziell solide Unternehmen wie Goldman Sachs, Bank of America und General Electric.
Man sollte stets von der Annahme ausgehen, dass auf der anderen Seite des Handels jemand Cleveres steht. Warum sollte er gerne etwas für weniger verkaufen, als es wert ist? Wenn Sie auf diese Frage eine plausible Antwort haben, von der Sie überzeugt sind, dann sollten Sie den Handel machen. Das heißt nicht, dass es unmöglich ist, den Markt zu überlisten, oder dass man das nicht versuchen kann. Aber ich denke, etwas für etwas anderes zu verkaufen, ist der zuverlässigere Weg, Outperformance zu generieren. Es erdet uns auch, darüber nachzudenken, was die Motive eines anderen Investors sind, an uns zu verkaufen.