Twitter und seine Nutzer profitieren von einem Netzwerkeffekt, der typisch für weitreichende Informationsverbreitungsplattformen ist. Das Unternehmen kann mit 232 Millionen monatlich aktiven Nutzern (MAUs, monthly active user) auf eine für eine Medien-Plattform beeindruckende Zahl an Benutzern blicken, die sowohl die Aufmerksamkeit als auch die Budgets von Werbetreibenden anzieht. Beiträge auf der Twitter-Plattform sind soziale Aktivitäten, die die natürliche Neigung verstärken, zu teilen und in Echtzeit auf Informationen zu reagieren. Aus Unternehmenssicht ist Twitter das größte soziale Netzwerk der Welt in Echtzeit, und dem würden wir zustimmen.
Bei Twitter kann man Gruppen frei wählen, die durch gemeinsame Interessen verbunden sind. Zum Beispiel können die Nutzer Prominenten (z. B. Lady Gaga), Arbeitsinteressen (z. B. Humankapital) und lokalen Interessen (z. B. auf den Wohnort bezogene Ereignisse oder aktuelle Nachrichten) folgen. Jede Erfahrung des Nutzers ist sehr persönlich, basierend darauf, wie Benutzer ihre Netzwerke bilden, wie sie mit dem Inhalt interagieren und welche eigenen Inhalte sie veröffentlichen. So erzeugt Twitter einzigartige und proprietäre Kundenprofile.
Das Wachstum schwächelt bereits: Wo ist der Hebel bei Twitter?
Die wichtigsten Wachstumshebel von Twitter sind aus unserer Sicht die Steigerung des Marktanteils, der Nutzerzahl und der Zeit, die die Nutzer bei Twitter verbringen. Der vielleicht wichtigste Aspekt, der unsere positive Sicht auf die Wachstumsaussichten des Unternehmens stützt, ist der komplementäre Charakter, den Twitter zu den traditionellen Inhalten und Medien hat. Diese komplementäre Haltung ermöglicht es Twitter, günstiger Informationen zu erhalten, die dann durch ihre Medienplattform fließen.
Dennoch können wir nicht leugnen, dass sich das Nutzerwachstum verlangsamt hat. Darüber hinaus konkurriert das Unternehmen mit Kolossen wie Facebook und Google um die Werbebudgets. Während die Werbefachleute darum ringen, den Erfolg von Kampagnen zu messen, muss das Unternehmen darum kämpfen, neue Werbegelder zu gewinnen.
Mit den Marketingdaten, die Twitter durch die einzigartige Interessendarstellung der Nutzer sammelt, sollte man im Fahrwasser der durch Facebook entfachten Dynamik profitieren. Obwohl Werbetreibende ihre Werbebudgets zunehmend in Onlinemedien verlagert haben, verbleiben immer noch große Tranchen in der traditionellen Offline-Werbung, vor allem in der TV-Werbung. Hier spielen insbesondere traditionelle Überlegungen von Markenbildung und großer Reichweite eine Rolle.
Marktstellung und Wettbewerbsvorsprung (economic moat)
Twitters enger Markt- und Wettbewerbsvorsprung (narrow moat) beruht auf einigen wichtigen Merkmalen: Reichweite, Netzwerkeffekte und eindeutige Kundendaten. Twitter und seine Nutzer profitieren von den Netzwerkeffekten, die typisch für eine weitreichende Informationsverbreitungsplattform (Content Distribution Platform) sind. Das Unternehmen hat mit 232 Millionen monatlich aktiven Nutzern eine beeindruckende Zahl an Nutzern für eine Medien-Plattform, die damit sowohl die Aufmerksamkeit als auch die Budgets von Werbekunden anzieht.
Im zweiten Quartal 2013 verzeichnete Twitter einen Anstieg der „Timeline-Ansichten“ gegenüber dem Vorjahr um 69 % auf mehr als 150 Milliarden. Timeline-Ansichten sind Twitters Berichtsgröße, um die Aktivität der Nutzer (engagement) zu erfassen, ein Maß für die Häufigkeit, mit der Nutzer die Tweets (Nachrichten) lesen. Dieses Maß an Aktivität (engagement) kann leicht missverstanden werden, da Wettbewerber häufig eine andere Berechnung der Aktivität (engagement) verwenden. Zum jetzigen Zeitwert ist die Reichweite von Twitter allein aus unserer Sicht nicht ausreichend, um massive Wettbewerbsvorteile zu schaffen und damit Unterstützung für einen weiten economic moat, also einem Markt- und Wettbewerbsvorsprung, zu leisten, der das Feld für Wettbewerber uneinnehmbar macht. So haben in den Vereinigten Staaten Unternehmen wie Yahoo (narrow moat, enger Wettbewerbsabstand), Google (wide moat, weiter Wettbewerbsabstand) und Facebook (wide moat, weiter Wettbewerbsabstand) eine viel größere Reichweite, sowohl bei stationären Rechnern als auch bei mobilen Nutzern.
Die Bewertung
Für unsere Bewertung ziehen wir einen gewichteten Durchschnitt aus unseren drei Szenarien Basismodell, Bullenmodell (bester Fall) und Bärenmodell (schlechtester Fall) heran. Basierend auf diesem gewichteten Durchschnitt werden wir die Berichterstattung für Twitter bei USD 26,00 je Aktie aufnehmen. Das ist deulich mehr als kurz nach der Emission und unter dem derzeitigen Kurs von 41,65 Dollar. Zum Kauf würden wir die Aktie bei 15,60 Dollar empfehlen, derzeit liegt der Kurs noch über unserer empfohlenen Verkaufschwelle von 40,30 Dollar.
In unserem Basisszenario führen mehrere Hebel zu Umsatz- und Cashflow-Wachstum sowie zu einer steigenden Zahl an Nutzern. Das Twitter-Netzwerk erreicht in etwa die Hälfte der Facebook-Nutzerzahlen. In diesem Modell steigt die Zahl der monatlich aktiven Nutzer (MAUs) mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate (compounded annual growth rate, CAGR) von 21 % bis zum Jahr 2022. Darüber hinaus steigen die Werbeeinnahmen pro Nutzer mit 20 % CAGR auf USD 10,00. Wir betrachten auch unterschiedliche Nutzungslevels innerhalb der Nutzer-Basis. Im Basisfall tragen Intensivnutzer USD 16,00 pro Jahr und gelegentliche Nutzer nur USD 2,80 pro Jahr bei. Der Gesamtumsatz des Unternehmens erreicht 10 Milliarden Dollar in 2022, während die operative Marge 27% erreicht.
Die Kapitalrendite (ROIC) liegt am Ende unseres Prognosezeitraums bei ca. 20 %. Basierend auf unserem 10-jährigen Discounted-Cashflow- oder DCF-Modell liefert dieses Szenario einen Zeitwert (Fair-Value-Schätzung) von USD 20,00 je Aktie.
Das Risiko
Das größte Risiko für unsere Investitionsannahme ist, dass das Wachstumspotenzial bereits gesättigt ist und Twitter nie in der Mitte der Internet-Bevölkerung ankommt. Es ist unwahrscheinlich, dass Werbekunden einen großen prozentualen Anteil ihres Werbebudgets in eine Plattform investieren, die nur eine Nische bedient. Darüber hinaus muss das Unternehmen erfolgreich neue Werbeprodukte starten, um die Werbeeinnahmen pro Nutzer zu steigern, was sich in Umsatz- und Ertragswachstum darstellt. Letztendlich hat sich das Geschäftsmodell noch nicht als tragfähig erwiesen, so dass sich unsere angenommene operative Marge als unerreichbar erweisen könnte.
Management
Dick Costolo, der seit 2009 bei Twitter arbeitet, ist seit Oktober 2010 Vorstandsvorsitzender (CEO) des Unternehmens. Vor seinem Eintritt bei Twitter leitete er mehrere Startup-Unternehmen, darunter ein Unternehmen, das an Google verkauft wurde, wo er dann ein paar Jahre arbeitete. Interessanterweise besteht das Management-Team von Twitter aus mehreren „Nicht“-Gründern, darunter Ali Rowghani (ehemaliger CFO bei Pixar) als COO, Mike Gupta (ehemals Zynga und Yahoo) als CFO und Adam Bain (von News Corporation) als President Global Revenue.
Das Management-Team ist vor allem mit der Verbesserung der Infrastruktur und Technologie der Twitter-Anwendung sowie der Bereitstellung neuer Werbeprodukte betraut, die zu skalierbarem Umsatzwachstum führen sollen. Wir gehen davon aus, dass das Management-Team an den Interessen der Aktionäre ausgerichtet ist, obwohl wir wissen, dass es aufgrund der begrenzten operativen Geschichte von Twitter und der nicht vorhandenen Historie als börsennotiertes Unternehmen dafür keine Belege gibt. Dennoch sind wir diesbezüglich zuversichtlich, da das Unternehmen, im Gegensatz zu anderen hochkarätigen IPOs, nicht zwei Aktiengattungen (Dual Class Stock) für seine Stammaktien verwendet, so dass alle Aktionäre gleiches Stimmrecht haben.
Anleger sollten sich jedoch bewusst sein, dass etwa 46 % der ausstehenden Aktien im Besitz von Venture-Capital-Firmen sind, deren Ziele eher kurzfristiger Natur sein können. Wir gehen davon aus, dass die meisten dieser Aktien schon bald nach der Lock-up-Periode von 180 Tagen über den Markt verkauft werden.
Das Profil von Twitter auf einen Blick
Twitter ist eine Internetplattform, die Einzelpersonen und Unternehmen nutzen, um Kurznachrichten (maximal 140 Zeichen) öffentlich sichtbar zu publizieren. Derzeit zählt das Unternehmen mehr als 230 Millionen monatlich aktive Nutzer (MAUs) und 100 Millionen täglich aktive Nutzer (DAUs). Auf Basis interessanter Themen (z. B. Finanzen oder Sport) organisieren sich die Nutzer selbst und bilden lose soziale Netzwerke. Fast 90 % des Umsatzes werden mit Werbung erwirtschaftet. Der Dienst ist vor allem für seine Echtzeit-Informationen bekannt.