Der Investmentvertrieb funktioniert in Europa nach ganz speziellen Regeln: Produkte werden in erster Linie von Beratern und Fondsanbietern verkauft und weniger von Anlegern nachgefragt. Vertriebsunterstützend werden deshalb laufend neue Ideen kreiert, die in neue Fonds- und ETFs übersetzt werden. Diese Methode hat Erfolg. Anleger investieren bereitwillig in neue Fonds.
Wir beobachten bereits seit Jahren mit Sorge, dass der Großteil der Neuinvestitionen in Fonds in neue Produkte geht. Es handelt sich dabei allzu oft um Anlagekonzepte, die ihre Tauglichkeit noch nicht unter Beweis gestellt haben. Zudem sind Trend-Investments oft nichts anderes als eine prozyklische Jagd nach Vergangenheitsrenditen (und wir alle wissen, dass die Vergangenheit unwiderruflich tot ist!).
Neue Produkte sind der Motor der Investmentbranche
Die Bedeutung neuer Produkte für die Fondsindustrie lässt sich gut an den Statistiken ablesen. Im ersten Halbjahr 2013 sammelten Fonds, die weniger als ein Jahr alt waren, 108,83 Milliarden Euro ein. Das entspricht gut 60 Prozent der Netto-Neugelder in Fonds in diesem Zeitraum. Produkte, die über keine Dreijahreshistorie verfügen, konnten sogar gut 204 Milliarden Euro an Zuflüssen verbuchen, etwa 113 Prozent der Zuflüsse! Das bedeutet, dass die Newcomer praktisch das gesamte Neugeschäft stemmen konnten, derweil etablierte Fonds per Saldo Abflüsse hinnehmen mussten.
Morningstar versteht Fonds-Investments als langfristigen Sparvorgang. Gerade die private Altersvorsorge sollte ein stetiger Prozess sein, der gerne auch langweilig verlaufen sollte. Man sucht nach soliden Produkten und tragfähigen Konzepten und investiert stetig und mit langfristigem Anlagehorizont. Schließlich resultieren die besten Ergebnisse aus den kleinen, wiederholbaren Erfolgen, die mit erprobten Produkten erzielt werden!
Wir heben wir eine neue Serie aus der Taufe, die eine Lanze für mehr Stetigkeit, Langsamkeit und Systematik beim Investieren bricht. Das tun wir – etwas um die Ecke gedacht -, indem wir ausgewählte neue Produkte und Konzepte vorstellen, von denen wir vermuten, dass in erster Linie die Marketing-Abteilung Pate gestanden hat. Unser redaktionelles Format „Aus der Marketing-Hexenküche“ kommt zwar etwas feuilletonistisch daher, wird aber auch neue Investmentkonzepte auf ihre Tragfähigkeit und Sinnhaftigkeit sachlich abklopfen.
Neu dabei: Der MSCI Emerging Marktes Beyond BRIC Index
Heute stellen wir den MSCI Emerging Markets Beyond BRIC Index vor, der seit dieser Woche berechnet wird. Der Index basiert auf dem MSCI Emerging Market Index, schließt jedoch die BRIC-Länder Brasilien, Russland, Indien und China aus. Die BRIC-Staaten repräsentieren derzeit ca. 40% des MSCI Emerging Market Index.
Laut Pressemitteilung von MSCI wurde der Index auf Grund von Investorennachfrage aufgelegt, um an der Entwicklung der Schwellenländer ohne den BRIC-Staaten teilzunehmen. Der neue Index gewichtet Korea, Südafrika und Taiwan mit jeweils ca. 15% dabei am stärksten.
Wir stellen uns die Frage, ob so ein Index wirklich Not tut. Schaut man sich die Rückrechnungen von MSCI an, drängt sich der Verdacht auf, dass die Fonds- und Indexindustrie mehr „Trendfolge“ betreibt als man vermuten mag. Der MSCI Emerging Market hat laut MSCI-Angaben zwischen 1999 und 2007 den MSCI EM Beyond BRIC Index um 2,1% pro Jahr outperformt. Seit 2007 hat der MSCI EM Beyond BRIC Index hingegen fast 4% pro Jahr besser abgeschnitten.
Da es offensichtlich um eine Ex-Post-Renditemaximierung geht, wollen wir das Rechenbeispiel erweitern. Der MSCI EM Latin America Index konnte in der ersten genannten Periode (1999-2007) den MSCI Emerging Markets Index um 6% outperformen. Seit 2007 hat er den MSCI EM Index um 1% underperformt. Ganz anders das Bild beim MSCI EM Asia Index. Der Index underperformt (3%) in der ersten Periode, outperformt (1%) aber in der zweiten. Was lernen wir daraus? Wir brauchen einen MSCI Emerging Markets Beyond Emerging Markets Index!
Werden Brasilien, Russland, Indien und China untergehen?
Man sollte die Sache jedoch etwas differenzierter Betrachten und sich die makroökonomischen Rahmenbedingungen der zwei Perioden genauer anschauen. Schnell wird deutlich, dass die Börsenentwicklung in den BRIC-Staaten in der Vergangenheit einfach erklärt werden kann. Brasilien profitierte von Chinas Rohstoff-Hunger und Russland vom Ölpreis. Indien wiederum hatte Anfang des Jahrhunderts aufgrund der Modernisierung und Liberalisierung der Wirtschaft und von der Reform seines Kapitalmarkts einen Schub. Und China schickte sich an, zum Exportweltmeister aufzusteigen und profitierte von Investitionen aus der ganzen Welt. Seitdem ist den vier Ländern etwas die Puste ausgegangen, was die Aktienkurse unter Druck setzt.
An dieser Stelle stellt sich die Frage: Ist das alles unwiederruflich vorbei? Wer heute die BRIC-Staaten aus seinem Emerging Markets-Universum ausschließt, glaubt offenbar, dass der Ölpreis langfristig fallen wird, Indien keine ausländischen Investitionen mehr anziehen und Chinas Wachstum nachhaltig auf der Stelle treten wird. Ich bezweifele eher eine solche Entwicklung und sehe mittelfristig Potenzial nach oben - auch bei den BRICs!
Zurück zum langfristigen Sparen: Investoren sollten ein gut diversifiziertes Portfolio aufbauen und dies nach vordefinierten Formeln regelmäßig umschichten. Die etwas abenteuerlustigen Investoren können zudem bestimmte Regionen oder Sektoren taktisch über- bzw. untergewichten. Weniger zielführend ist hingegen, das komplette Portfolio immer wieder auf den Kopf zu stellen, nur weil wieder ein neues Investmentkonzept kreiert wurde, das in der Rückrechnung der letzten 2 Tage funktioniert hat.