Wenn ein gestandener Anleihehändler an der Wall Street ausruft “die kaufen einfach alles, das ist der blanke Wahnsinn!”, dann sollte man hellhörig werden. Zwar haben sich die Anleihen im Morningstar Corporate Bond Index in der vergangenen Woche nur um einen Basispunkt verengt auf im Schnitt +137, aber wir vermuten, dass der Index der Rally bei Unternehmensanleihen etwas hinterherhinkt, und viele Transaktionen selten gehandelter Anleihen derzeit zu engeren Spreads abgewickelt werden, als es mit Blick auf die Kurse am Markt den Anschein hat.
Die Berichtssaison der Unternehmen hat ihren Höhepunkt überschritten. Viele Unternehmen haben ihre Ergebnisse vorgelegt und widmen sich nun anderen Dingen – wie etwa das Bond-Emissionsgeschäft! Der Markt für Neuemissionen ist jedenfalls wieder zum Leben erwacht. In der vergangenen Woche wurden Anleihen für über 26 Milliarden Dollar ausgegeben, 10 Milliarden Dollar mehr als in den anderen Wochen seit Jahresbeginn. In nur drei Wochen dieses Jahres wurde überhaupt ein größeres Anleihevolumen auf den Markt gebracht. Dennoch fanden auch diesmal die neuen Papiere schnell einen Käufer, und im Schnitt notierten die neuen Anleihen zum Ende der Woche 3 bis 5 Basispunkte enger.
Für Furore sorgte diese Woche zudem Apple (AAPL; Rating „AA-“). Das Unternehmen kündigte an, bis 2015 am Anleihemarkt bis zu 50 Milliarden Dollar einsammeln zu wollen, um mit dem Geld Aktien zurückzukaufen. In einem ersten Schritt hat Apple durch den Verkauf von „iBonds“ bereits 17 Milliarden Dollar eingenommen - so viel wie kein anderes US-Unternehmen zuvor auf einen Schlag. Derartige Summen dürften für andere Unternehmen unerreichbar sein, das Vorgehen, angesichts der niedrigen Renditen mit den Erlösen einer Anleiheemission einen Aktienrückkauf zu finanzieren, aber nicht. Derartige Maßnahmen waren auch in den Analystenkonferenzen dieser Berichtssaison viel diskutiert worden. In den kommenden Wochen dürfte es also nicht an Neuemissionen mangeln.
Die US-Notenbank sieht keine Anzeichen für zu riskante Transaktionen
Die Renditen am Anleihemarkt sinken und es wird für die Investoren immer schwieriger, ordentliche Erträge zu erzielen. Doch nach Einschätzung der US-Notenbank sind die Investoren auf der Suche nach Rendite nicht zu leichtsinnig – das zumindest war der Tenor einiger Reden von Mitgliedern der Federal Reserve in den vergangenen Wochen. Zwar könnten niedrige Zinsen sehr wohl dazu führen, “dass die Investoren zu stark auf Fremdfinanzierungen setzen und zu aggressiv auf die Jagd nach Renditen gehen”, wie etwa Janet Yellen, Vizepräsidentin der US-Notenbank und stimmberechtigtes Mitglied im Zinsausschuss, sagte. Derzeit könne sie aber keine nachhaltigen Beweise erkennen, dass eine deutlich wachsende Kreditaufnahme entstehe, die Fremdkapitalaufnahme deutlich zunehme oder sich Blasen bildeten. Es gebe es einige Anzeichen dafür, dass manche Marktteilnehmer verzweifelt auf der Suche nach Rendite seien. Dies habe die Federal Reserve genau im Blick.
Auch der Präsident der Notenbank von Minneapolis, Narayana Kocherlakota, äußerte sich zu dem Thema: Er sagte, er könne keine Blasen erkennen. Zudem soll er in einer Frage-Antwort-Runde erklärt haben, dass die Federal Reserve es befürworte, wenn die Investoren stärker ins Risiko gingen. Ganz offensichtlich haben weder Yellen noch Kocherlakota mit einem unserer Kunden gesprochen!
Ein wohl realistischeres Bild der Wirklichkeit dürften die vielen professionellen Anleger haben, die versuchen, auf der Bond-Seite das letzte Quäntchen Rendite herauszuquetschen. Selbst sonst sehr konservative Investoren, die in der Vergangenheit nur Papiere kauften, die mit mindestens „A“ eingestuft waren, haben den Anteil von Papieren mit einem „BBB”-Rating spürbar erhöht, während andere Marktteilnehmer, die bereits in der Vergangenheit diese Titel kauften, nun auf High-Yield-Bonds umsteigen oder auf Papiere, die nur noch knapp im Bereich Investment-Grade liegen. Andere Investoren haben ganz die Flinte ins Korn geworfen und bauen nun ihre Anleihebestände ab, um in Alternative Anlagen oder Hedgefonds zu gehen.
Die Antwort von Jens Ehrhardt, der Doyen der deutschen Vermögensverwalter, auf unsere Frage, ob er eine Blase bei Unternehmensanleihen sehe, lautete knapp und bündig „ja“. Die Begründung, warum er in seinen Fonds dennoch auf höher rentierliche und damit riskantere Titel setze, kommt uns bekannt vor: „Anleger wollen Performance sehen“. Auch unsere pan-europäischen Absatzzahlen bestätigen den anscheinend unstillbaren Rendite-Hunger von Bond-Anlegern. Im März zählten beispielsweise Fonds für US-Hochzinsanleihen zu den Rennern am Markt. Hoffen wir, dass Anleger nicht ein böses Erwachen dann erwartet, wenn die Renditen steigen!
Indes: Je länger die Zinsen und Renditen auf diesem niedrigen Niveau bleiben, desto mehr Fondsmanager werden von ihrem traditionellen Anlageschema abweichen müssen. Um eine Rendite zu erzielen, die auch nur annährend dem entspricht, was Pensionsfonds und Versicherer in ihren Büchern einkalkuliert haben, müssen diese Marktteilnehmer ein deutlich höheres Risiko eingehen. Das geht nicht nur aus Gesprächen mit Marktteilnehmern hervor – man sieht es auch im Markt. Für Unternehmensanleihen steht Geld in Hülle und Fülle bereit und selbst die Emittenten von Papieren mit den schwächsten Ratings werden mit offenen Armen empfangen.
Schlechte Nachrichten von der Konjunktur sind gute Nachrichten für Anleihen
Auf der Suche nach Rendite machten die Investoren auch nicht vor europäischen Staatsanleihen halt. Die Rendite der zehnjährigen Staatsanleihen aus Italien sank vergangene Woche mit 3,94% unter die Marke von 4%, und war damit so niedrig wie seit November 2010 nicht mehr. Zum Ende der Woche notierte das Papier bei 4,13% und somit 20 Basispunkte enger als zu Wochenanfang. Auch spanische Anleihen waren gefragt: Der Spread der Titel mit zehn Jahren Laufzeit zog kurzzeitig durch die Marke von +300, wodurch die Rendite bis auf 4,28% rutschte, ebenfalls ein Stand, der seit dem November vor gut zwei Jahren nicht mehr erreicht worden war. Am Schluss lagen die Titel bei 4,34% und hatten im Verlauf der Woche rund 30 Basispunkte gutgemacht. Dabei stehen diese niedrigen Renditeniveaus im krassen Kontrast zu den schwachen Konjunkturdaten, die zuletzt aus Spanien, Italien und der Eurozone insgesamt kamen.
Schließlich notierte der Markit-Einkaufsmanagerindex aus der Eurozone für die Zeit bis zum 22. April unverändert bei 46,5 Punkten – ein Hinweis darauf, dass die wirtschaftliche Aktivität in der Eurozone nachlässt, wie schon in 19 der vergangenen 20 Monaten. Selbst vor diesem Hintergrund war es allerdings alarmierend, dass der deutsche Index auf 48,8 Punkte sank und damit erstmals seit vergangenen November unter die Marke von 50 Punkten fiel.
In Spanien wiederum ging das Bruttoinlandsprodukt (BIP) das siebte Mal in Folge zurück. Im ersten Quartal sank die Wirtschaftsleistung des Landes im Vergleich zum vorangegangenen Quartal um 0,5%, dabei war zu diesem Zeitpunkt bereits ein Minus von 0,8% im Vergleich zum Vorjahr verbucht worden. Madrid sah sich auch gezwungen, die Zielvorgaben für 2013 auf ein Minus von 1,3% zu korrigieren. Zuvor war noch ein BIP-Wachstum von 0,5% erwartet worden. Nun liegt die offizielle Schätzung des Landes näher an den Prognosen des Internationalen Währungsfonds: der befürchtet, dass Spanien in diesem Jahr ein Minus von 1,6% verkraften muss. Zudem rechnet Spanien den neuen Planungen zufolge in diesem Jahr mit einem Haushaltsdefizit von 6,3%, bislang waren 4,5% einkalkuliert worden. Das Land will jedoch im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit seine Sparziele für die nächsten zwei Jahre lockern, denn die Arbeitslosenquote hat mittlerweile erschütternde 27,2% erreicht.
All diese schlechten Nachrichten wurden am Markt positiv aufgenommen. Denn die Investoren sind der Meinung, dass die Europäische Notenbank wegen der schwachen Wirtschaft gezwungen sein könnte, die Zinsen zu senken – wenn nicht in dieser, dann doch in der kommenden Sitzung. Die US-Notenbank hatte zuletzt keine Veränderung des Zinsniveaus vorgenommen, und auch nicht an ihrem Anleihekaufprogramm gerüttelt: Der Offenmarktausschuss beschloss, die Ankäufe von Staats- und Hypothekenanleihen von 85 Milliarden Dollar im Monat fortzusetzen. Gleichzeitig betonten die Notenbanker aber, dass sie darauf vorbereitet seien, das Tempo der Anleihenkäufe zu erhöhen oder zu reduzieren, um eine angemessene geldpolitische Unterstützung beizubehalten.
Don't Worry, Be Happy
Erinnern Sie sich an das Lied von Bobby McFerrin, „Don't Worry, Be Happy", das Ende der 1980er Jahre überall zu hören war? Dieser Ohrwurm kam mir jedenfalls wieder in den Sinn, als ich sah, wie die Anleihespreads in Reaktion auf die Unternehmensergebnisse und die üppige Liquidität schrumpften und die Aktienmärkte stiegen.
Dabei gab es keineswegs nur aus Europa schlechte Nachrichten. Vergangenen Monat hatte die Notenbank aus Chicago ihren Index der Wirtschaftsaktivität veröffentlicht, der für März auf minus 0,23 Punkte sank und damit unter seinen historischen Trend fiel. Am US-Immobilienmarkt wurden auf Jahressicht nur 4,92 Millionen bereits gebauter Häuser verkauft, was unter dem erwarteten Wert von 5,03 Millionen lag. Auch wurden weniger neue Häuser verkauft als prognostiziert. Damit nicht genug: Auch der ISM-Einkaufsmanagerindex enttäuschte mit einem Rutsch auf 52,0 Punkte (was immerhin noch auf eine Ausweitung der Wirtschaftsaktivität hindeutet) von 54,9 im März und von der US-Notenbank in Richmond kamen ebenfalls deutlich schlechtere Nachrichten als erwartet. Die Zahl der Anträge auf US-Arbeitslosenhilfe, die vergangenen Donnerstag vermeldet wurde, stellte einen kleinen Hoffnungsschimmer dar – doch diese Hoffnungen wurden jäh zunichte gemacht, als die Auftragseingänge langlebiger Güter mit einem Minus von 5,7% sehr viel schlechter als befürchtet ausfielen.
Mit schlechten Nachrichten von der Notenbank in Kansas City ging es weiter, und zum Abschluss der Woche enttäuschte auch die Wirtschaftsleistung der USA. Zwar lag das BIP im ersten Quartal mit 2,5% deutlich über dem Wert des vierten Quartals 2012, aber eben doch klar unter den Erwartungen der Volkswirte, die mit einem Wert von 3,0% gerechnet hatten.
Unser Wirtschaftsexperte Robert Johnson lässt sich davon aber nicht beirren, aller Kritik zum Trotz: Er ist weiterhin der Meinung, dass die US-Wirtschaft in diesem Jahr zwischen 2,0% und 2,5% zulegt und dass es im zweiten Quartal weiter aufwärts geht, zwar nicht im Vergleich zum Vorquartal, aber immerhin im Vergleich zum Vorjahresquartal.