Rückkehr zum Krisenmodus?

Das Misstrauen gegenüber europäischen Bankanleihen wächst. Spanische und italienische Institute geraten in den Fokus.

Dave Sekera, CFA 03.04.2013
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Kleines Land, große Wirkung: Zypern hat weltweit an den Finanzmärkten für Diskussionen gesorgt. Auch an den Anleihemärkten machte die Frage unter Investoren in der vergangenen Woche die Runde, welche Folgen die Restrukturierung der zyprischen Banken wohl haben würde. Auf den ersten Blick erscheint der Kollateralschaden gering: In den USA weiteten sich bis Ende vergangener Woche die Spreads der Unternehmensanleihen im Morningstar Corporate Bond Index um einen Basispunkt auf +140 aus. In Europa gingen die Aufschläge der Titel im Morningstar Eurobond Corporate Index um 3 Basispunkte auseinander - auf +141. Das erscheint wenig dramatisch.

Wesentlich deutlicher wirkten sich die Nachrichten von der Mittelmeerinsel auf die Renditeaufschläge europäischer Bankentitel aus: So schnellten die Spreads im Markit iTraxx Senior Financial Credit Default Swap Index um fast 50 Basispunkte auseinander auf +205. Ausschlaggebend für diese heftige Bewegung war die Erkenntnis der Marktteilnehmer, dass zukünftige Rettungsmaßnahmen für Banken zu Lasten von Aktionären, Anleiheeignern und Eigentümern unbesicherter Bankguthaben gehen würden (und zwar in eben dieser Reihenfolge), und nicht mehr vom Steuerzahler getragen werden müssen. Demnach sind die Gelder der Anleiheeigner einem größeren Risiko ausgesetzt als bisher, weshalb diese nun eine höhere Rendite fordern.

Eine weitere Lehre aus den Geschehnissen in Zypern war die Erkenntnis, dass lokale Politiker wenig bis gar nichts bei der Restrukturierung einer Bank zu sagen haben. Ursprünglich lautete der Plan, die Bankeinlagen mit einer Art Sonderabgabe zu belegen. Dafür hätte auch das Parlament grünes Licht geben müssen – im Gegensatz zu den letztlich durchgesetzten Restrukturierungsmaßnahmen. 

Tiefe Einschnitte in die Kapitalstruktur der Banken

Es scheint, als hätten die zyprischen Banken schon seit einiger Zeit mit den Verlusten aus der Griechenland-Krise und notleidenden Krediten zu kämpfen gehabt. Aber erst im Februar, als immer mehr Gelder aus dem Land abgezogen wurden, kamen die Banken in ernste Schwierigkeiten. Es kann länger dauern als man denkt, bis eine Krise wirklich Folgen zeigt – aber wenn ein Finanzinstitut nicht mehr über ausreichend Liquidität verfügen kann, kann diese sehr schnell pleitegehen.

Angesichts der Hohen Verluste in Zypern dürften Investoren den Wert der Kreditbücher der Banken und ihre Bilanzen zunehmend misstrauischer gegenüberstehen.

 

Uns hat auch überrascht, wie stark in die Kapitalstruktur der Banken eingegriffen wird und wie hoch die Abschläge auf die unbesicherten Bankguthaben ausfallen sollen (schätzungsweise zwischen 40% und 80%). Das wird unserer Ansicht nach auch Folgen für die Kredite an Banken anderer kriselnder Eurostaaten haben. Denn angesichts dieser hohen Verluste dürften die Investoren den Wert der Kreditbücher der Banken und ihre Bilanzen zunehmend misstrauischer gegenüberstehen. Die starken Einschnitte in die Kapitalstruktur führen dazu, dass die Restwerte für notleidende Kredite extrem niedrig ausfallen dürften. Oder, wie unser Kreditanalyst Jim Leonard, der sich auf den Bankensektor spezialisiert hat, dazu sagt: „Wenn man die europäischen Banken analysiert, sollte man zusehends skeptischer werden – und das bin ich auch.“ 

Es gab Fälle, in denen Banken restrukturiert wurden, ohne dass die Bankeinlagen angetastet wurden. Dass in Zypern die Guthaben der „kleinen Leute“ geschützt wurden, hat das Risiko eines Bank-Run in anderen Ländern deutlich reduziert. Vermögende Privatpersonen und Geschäftsleute mit größeren Bankguthaben in den kriselnden Euro-Ländern dürften ihr Geld auf verschiedene Banken verteilen, um die einzelnen Garantien auszunutzen. Und neben der Tatsache, dass es die Europäische Union geschafft hat, die garantierten Sparguthaben zu schützen, sollte man auch nicht vergessen, dass man ein Lösung für die Krise in Zypern finden konnte, ohne dass das Land aus der Eurozone austreten musste – was ein fatales Signal gewesen wäre.

Die notleidenden Kredite in Spanien und Italien wachsen weiter

Wir sind schon lange skeptisch, was die Qualität der Kredite in den Büchern vieler spanischer und italienischer Banken angeht. Selbst nach mehreren Herabstufungen durch die Rating-Agenturen liegen unsere Einschätzungen für die Anleiheemittenten im Schnitt mindestens zwei Stufen niedriger. Es scheint, als würde sich die Rezession in der Eurozone ausweiten. Spanien erwartet eigenen Schätzungen zufolge, dass das reale Wirtschaftswachstum in diesem Jahr um 1,5% zurückgehen wird, und die Arbeitslosenquote ist auf alarmierende 26% angestiegen. Auch in Italien schrumpft die Wirtschaft und seit den Wahlen Ende Februar konnte noch immer noch keine Regierung gebildet werden. Derweil wachsen die notleidenden Kredite. Wir verfolgen dies anhand der Zahlen von Banco Popular Espanol (Morningstar-Rating „B+“) und Intesa Sanpaolo („BB-"), die als Beispiel für die Entwicklungen der Kreditqualität in Spanien und Italien dienen können.

13% der Gesamtkredite von der Intesa-Bank sind notleidend. Im Schnitt sind es bei italienischen Banken 15,8% im Schnitt. Das sind schier unglaubliche Zahlen.

Derzeit sind mehr als 13% der Gesamtkredite von der italienischen Intesa-Bank notleidend. Das Institut betont, dass dieser Wert im Vergleich zu anderen italienischen Banken der zweitniedrigste ist – im Schnitt sind es 15,8%. Das sind schier unglaubliche Zahlen, die zeigen, wie heftig sich die Abkühlung des Wirtschaftswachstums auf die Kreditportfolios italienischer Banken auswirkt. Bei der Präsentation der Zahlen zum vierten Quartal zeigte Intesa auch, nach welch strikten Kriterien italienische Banken die notleidenden Kredite verbuchen müssen. Ende 2011 waren diesen Vorgaben zufolge 9,9% der Kredite faul.

Bei den spanischen Banken lag dieser Wert zugleich bei vergleichsweise geringen 8,5%. Laut Intesa hätte es aber deutliche Folgen, wenn in beiden Ländern gleiche Rechnungslegungsvorschriften gegolten hätten – denn dann hätte der Wert der spanischen Institute 25,3% betragen. Wir stimmen in einem Punkt mit Intesa überein: Dieses Beispiel zeigt, wie strikt die Regeln für italienische Banken sind. Aber es zeigt noch mehr: nämlich die möglicherweise kritische Lage der spanischen Banken. Nachdem vergangenen Herbst von der Europäischen Zentralbank (EZB) 40 Milliarden Euro gen Madrid gingen, hatten die Investoren wieder Vertrauen gefasst und die Zinsen waren gesunken. Aber angesichts der weiter steigenden faulen Kredite fürchten wir, dass dieses Vertrauen wieder schwinden könnte, die Kredite sich wieder verteuern und die Refinanzierungskosten für spanische Banken wieder steigen.

Nicht nur die Ausweitung der Spreads der europäischen Banken zeigte, dass die Investoren wieder auf der Suche nach sicheren Anlagemöglichkeiten sind. So fiel die Rendite deutscher und Schweizer Staatsanleihen mit zwei Jahren Laufzeit erstmals seit Ende vergangenen Jahres wieder in negatives Terrain. Zehnjährige US-Staatsanleihen rentierten 6 Basispunkte niedriger bei 1,85% und die Rendite der deutschen Papiere mit gleicher Laufzeit fiel um 9 Basispunkte auf 1,38%. Damit notieren die Titel auf dem niedrigsten Niveau seit Anfang des Jahres.

Für die langlaufenden spanischen Staatsanleihen ging es dagegen um 21 Basispunkte hoch auf 5,06%, was einem Aufschlag von 377 Basispunkten zu deutschen Bunds entspricht. Italienische Staatsanleihen rentierten 24 Basispunkte höher bei 4,76%, ein Spread von 347 Basispunkten zu den deutschen Papieren. Auslöser dafür waren – neben den Nachrichten aus Zypern - das politische Hickhack in Italien und Gerüchte, dass eine Ratingagentur das Land herabstufen könnte. Als Italien vergangene Woche Anleihen ausgab, musste für die fünfjährigen Papiere eine Rendite von 3,65% geboten werden – der höchste Wert seit fünf Monaten.

US-Banken neutral gewichten

Das Geschehen in Europa hat auch Folgen für US-Banken. Anfang März hatten wir unsere Einschätzung des amerikanischen Bankensektors auf „Neutral“ von „Overweight“ reduziert. Ausschlaggebend dafür war unsere immer größer werdende Sorge, dass die faulen Kredite in Spanien und Italien wachsen. Dies dürfte dazu führen, dass die Investoren die Stabilität zahlreicher europäischer Banken in Frage stellen werden und dass Anleiheeigner nach der Restrukturierung in Zypern damit rechnen, dass ihr Risiko bei einer Rettungsaktion steigt. Die credit spreads der europäischen Banken dürften sich daher ausweiten, was auch die US-Banken in Mitleidenschaft ziehen dürfte.

 

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Über den Autor

Dave Sekera, CFA  Dave Sekera, CFA, is chief U.S. market strategist for Morningstar.