Im ersten Teil des Artikels zum europäischen ESG-Fondsmarkt haben wir ermittelt, dass dieses Marktsegment in den vergangenen Jahren stark gewachsen ist. Gespeist wird dieses Wachstum durch Zuflüsse in Bestandsfonds, Neuauflagen sowie Umwidmungen von konventionellen Fonds zu Fonds mit Nachhaltigkeits-Mandat. Allein durch die Zuflüsse wächst der ESG-Fondsmarkt beachtlich: Mehr als 40 Prozent der Zuflüsse in europäische Fonds haben in diesem Jahr (per Ende Juli) Nachhaltigkeitsfonds angesteuert.
Dieses Wachstum bringt natürlich ein Mehr an Komplexität mit sich. Inzwischen gibt es über 2.200 Fonds europaweit, die ein ESG-Mandat aufweisen und multiple Strategien anwenden, etwa Ausschlüsse, Best-in-Class, Normen-basierte Screenings und viele mehr. Wir haben bei den nachhaltigen Fondsstrategien am Markt folgende drei Großgruppen identifiziert:
ESG Focus Fonds
Die meisten dieser Fondsgruppe wenden das Best-in-Class-Prinzip an. Sie investieren also in die nachhaltigsten Unternehmen eines Sektors. Allerdings sind die Schattierungen doch recht ausgeprägt. Manche dieser Fonds setzen auf die Industrie-Leader, andere achten eher darauf, die schlimmsten Sünder auszuschließen. Andere wiederum investieren in die Unternehmen, die gerade ein besonders starkes ESG-Momentum aufweisen, also die dabei sind, ihre zuvor nicht besonders ambitionierte ESG-Bilanz aufzupolieren.
Zumeist arbeiten diese Fonds auch mit Ausschlusskriterien und verbannen oft Unternehmen aus der Waffen-, Tabak- oder Alkoholindustrie ganz aus ihren Portfolios. In gewisser Weise spiegeln diese Fonds die „klassische“ Vorgehensweise bei Nachhaltigkeitsfonds wider, auf die Unternehmen zu setzen, welche die – tatsächlich oder vermeintlich – besten Nachhaltigkeitsprofile aufweisen.
Impact-Fonds
Bei Impact Investing geht es darum, in Unternehmen oder bestimmte Projekte (über Anleihen) zu investieren, die das Ziel haben, einen positiven Einfluss im Bereich Umwelt, Soziales oder Governance zu machen und gleichzeitig attraktive Renditen für Investoren zu erzielen. Dieser Bereich im ESG-Investmentuniversum war bis vor Kurzem vor allem institutionellen Investoren und vermögenden Privatkunden vorbehalten, doch der Bereich wird zunehmend auch Ottonormal-Anlegern zugänglich gemacht. Neben Green Bond Fonds zählen auch Produkte zu dieser Gruppe, welche die Umsetzung einiger der 17 Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen zum Ziel haben.
Diese Fonds spiegeln insofern einen moderneren ESG-Ansatz wider, als sie stärker auf die ESG-Folgen von Unternehmensstrategien abheben. Allerdings ist hier wiederum das Thema Monitoring höchst virulent. Nicht selten fehlt es an klaren Benchmarking-Verfahren, die den angestrebten „Impact“ auch tatsächlich zu messen.
Sustainable Sector Fonds
Sektorfonds, die auch spezielle Themen umfassen, zählen zu den ältesten ESG-Produkttypen, die in Europa auf dem Markt sind. Sie konzentrieren sich auf „grüne Themen“, wie etwa erneuerbare Energien, Energieeffizienz oder auch Wasser-Infrastruktur oder Unternehmen, die sich auf die nachhaltige Lebensmittelproduktion spezialisiert haben. Auch der Bereich „Green Buildings“ zählt hierzu. Diese Aufzählung deutet an, dass sich derartige Produkte in verschiedenen Fondskategorien wiederfinden, die auch konventionelle Fonds umfassen.
Und was ist mit den „Sonstigen“?
Typischerweise gibt es bei Taxonomien, die radikale Vereinfachungen komplexer Sachverhalte zum Ziel haben, eine große Grabbelkiste „Sonstiges“. Hier finden sich hartnäckige Vertreter, die sich einer klaren Kategorisierung sperren. Wir haben in dieser Untersuchung einen anderen Weg gewählt.
Für diese Untersuchung haben wir etliche ESG-Integrationsansätze, die sich in der Grauzone zwischen konventionellen (nicht-ESG-) Strategien „ESG Focus“ bewegen, nicht berücksichtigt. Hierzu zählen Ansätze, die nur einzelne Ausschlüsse vornehmen, ohne eine holistische ESG-Sicht zu vertreten. Der Ausschluss von Herstellern geächteter Waffen zählt hierzu. Wer nur einen oder zwei Titel aus einem hunderte Aktien umfassenden Portfolio ausschließt, kann nicht den Anspruch erheben, eine ESG-Strategie zu verfolgen.
Aber auch solche Ansätze wurden nicht als ESG-Strategien identifiziert, die Nachhaltigkeitsaspekte als fakultatives Element einer Strategie definieren, es also den Fondsmanagern zwar nahelegen, ESG-Aspekte als Teil der Wertpapieranalyse zu integrieren, dies aber nicht als zwingenden Teil des Investmentprozesses festzuschreiben. Die Tatsache, dass die Formulierungen in den Fondsprospekten teilweise schwammig daherkommen, macht die Zuordnung nicht leichter.
Wie nachhaltig sind die nachhaltigen Fonds?
Nach dieser ersten Klassifikation wollen wir nun die Nachhaltigkeits-Eigenschaften der drei Kategorien näher untersuchen. Dafür setzen wir die Morningstar Sustainability Ratings ein. Zur Erinnerung: Diese Ratings drücken aus, wie gut die Unternehmen in einem Fonds Nachhaltigkeits-Risiken managen bzw. Nachhaltigkeits-Chancen wahrnehmen. Die nachhaltigsten zehn Prozent der Fonds einer Kategorie bekommen das Gütesiegel von fünf Globen. Die nachfolgenden 22,5 Prozent der überdurchschnittlich nachhaltigen Fonds einer Kategorie bekommen vier Globen. Ein durchschnittliches ESG-Profil bringt den nachfolgenden 33,5 Prozent der Fonds einer Kategorie drei Globen. Die nachfolgenden 22,5 Prozent erhalten zwei Globen, und die am wenigsten nachhaltigen Fonds bekommen einen Globus.
Die untere Grafik zeigt, wie die drei Gruppen der Nachhaltigkeitsfonds im Spiegel der Morningstar Sustainability Ratings abschneiden. In der Graphik auf der linken Seite ist die Bilanz der ESG Focus Fonds aufgeführt. 69 Prozent der Fonds kommen auf ein Rating von vier oder fünf Globen und schneiden somit überdurchschnittlich ab. Nur zehn Prozent der ESG Focus Fonds kommen auf ein Ein- oder Zwei-Globen Rating.
Grafik: Die Nachhaltigkeitsbilanz der ESG Focus Fonds
Noch besser fällt das Nachhaltigkeitsprofil der Impact-Fonds aus. 77 Prozent dieser Fonds kommen auf vier oder fünf Globen; nur sechs Prozent schneiden unterdurchschnittlich ab.
Grafik: Die Nachhaltigkeitsbilanz der ESG Impact Fonds
Schwächer schneiden die Sektorfonds ab. Hier kommen „nur“ 59 Prozent auf ein überdurchschnittliches oder gutes ESG-Rating. Das ist zum einen nicht schlecht im Vergleich zur Bilanz aller Fonds, und zum anderen ist die schwächere Bilanz nachvollziehbar, da die Strategien der Fonds typischerweise recht konzentriert auf einzelne ESG-Bereiche sind, was bedeutet, dass sie nicht darauf ausgerichtet sind, gesamtheitlich überdurchschnittlich gut aus ESG-Sicht abzuschneiden.
Grafik: Die Nachhaltigkeitsbilanz der ESG Sektorfonds
Zum Abschluss noch ein Blick auf die Performance-Bilanz von ESG-Fonds. Wir haben uns wiederholt kritisch geäußert über die Tendenz, kurzfristige Performance-Historien zu verwenden, um für oder gegen die These von der Outperformance von ESG-Strategien zu argumentieren. Performance ist ein höchst fluides Ding, mithin ist die Wertentwicklung eines Investments (in der Vergangenheit) eines der schlechtesten Datenpunkte, um auf die Eigenschaft einer Investmentstrategie zu schließen. Deshalb heben wir auch nicht die Tatsache hervor, dass ein Screening ergab, dass die Nachhaltigkeitsfonds in unserer Untersuchung in Ein- und Fünfjahres-Zeiträumen zu einem höheren Anteil in der besseren Hälfte der Fonds identischer Kategorien vertreten waren.
Wir belassen es beim Hinweis, dass ein vorläufiges Bild auf ein überlegenes Rendite-Risiko-Profil von Fonds mit ESG-Mandat hindeutet. Dafür haben wir die ESG-Fonds mit den Morningstar Sterne Ratings „gematched“ mit dem Ergebnis, dass die Fonds mit ESG-Profil risikoadjustiert überdurchschnittlich abschneiden.
Grafik: Das Rendite-Risiko-Profil von europäischen ESG Fonds
Die Analysen in diesem Artikel basieren auf unserem Tool für professionelle Anleger. Weitere Informationen zu Morningstar Direct erhalten Sie hier.