Das Windhundrennen der Fondsanbieter: Neue Produkte am Markt

Neue Fonds sind das Lebenselixier der Fondsbranche. Wir blicken in einer mehrteiligen Übersicht auf die neuen Fonds am europäischen Markt im ersten Halbjahr. Im ersten Teil lesen Sie die wichtigsten Trends, unter anderem beantworten wir die Frage, wie sich bei Neuauflagen das Aktiv-Passiv-Schisma manifestiert.

Ali Masarwah 26.07.2018
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Das Geschäft mit neuen Fonds ist das A und O des Fondsvertriebs in Europa. Es gibt kein besseres Mittel, Kundengelder anzulocken, als einen neuen Fonds aufzulegen. Damit rücken Investmentfonds in die Nähe von schnelllebigen Konsumgütern, was man bedauern kann. Der Prozess der Vermögensbildung sollte idealerweise eine langfristige, gerne langweilige Angelegenheit sein, in der etablierte Produkte im Vordergrund stehen sollten und modische (vulgo: unerprobte) Investmentprodukte eher die Ausnahme als die Regel im Portfolio sein sollten. 

Wie dem auch sei: Weil Fonds schnelllebige Produkte sind, ist die Betrachtung der Publikumsfonds-Neuauflagen ein guter Indikator für den Zustand der Branche. Wir haben deshalb die Auflagetrends europaweit für das erste Halbjahr untersucht. Unsere Untersuchung vom vergangenen Jahr  zum ersten Halbjahr 2017 bildet einen Anker bzw. Vergleichsmassstab, um die Aktivität der Emittenten besser einzuordnen. 

Konkret beantworten wir hier folgende Fragen: Welche Produkte sind auf den Markt gekommen? Wer hat sie aufgelegt? Wo werden sie vertrieben? Wie hoch ist das verwaltete Vermögen? Wie sieht es mit Indexfonds aus? Welche Rolle spielen Nachhaltigkeitsfonds? Wie hoch fallen die Kosten der neuen Produkte aus? Dafür haben wir unsere Datenbank Morningstar Direct angeschmissen und per 30. Juni 2018 gerechnet. Wir haben uns dabei auf die Fondsebene kapriziert und somit die neuen Tranchen von bereits existenten Fonds ignoriert. Schliesslich steht die Suche nach neuen Fondskonzepten im Vordergrund und nicht die Dokumentation des gesamten Fondsneugeschäfts in all seinen Facetten. Nicht in die Rechnung eingeflossen sind auch Fonds, die auf andere Produkte verschmolzen wurden, auch wenn sie formal als neue Fonds gelten. 

Aktien- und Mischfonds dominieren die Neuemissionen 

Fangen wir mit der grossen Übersicht an. In den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres kamen 1106 neue Fonds auf den europäischen Markt. Diese in Europa aufgelegten Fonds brachten es per Ende Juni auf ein verwaltetes Vermögen von gut 100 Milliarden Euro. 

Am häufigsten wurden Mischfonds aufgelegt. 359 neue Aktien-Bond-Fonds kamen auf den Markt. Das ist ein Spiegelbild der hohen Nachfrage von Investoren in Europa seit der Finanzkrise. Man vertraut immer mehr auf die Asset-Allocation-Fähigkeiten des Fondsmanagers seines Vertrauens. In den neuen Mischfonds steckten per Ende Juni bereits 28,6 Milliarden Euro. 

In den ersten sechs Monaten wurden 340 Aktienfonds aufgelegt, die auf ein Vermögen von insgesamt 29,5 Milliarden kommen. 241 neue Bondfonds vereinen 28,7 Milliarden auf sich. Mit Blick auf die blosse Zahl an Neuemissionen entspricht das dem Trend des Vorjahres, als 355 Aktienfonds und 267 Obligationenfonds in den ersten sechs Monaten 2017 das Licht der Welt erblickten. Das verwaltete Vermögen per Ende des ersten Halbjahres ist jedoch in diesem Jahr deutlich niedriger. Waren per Ende Juni 2017 noch 37,6 Milliarden Euro in neuen Aktienfonds und 35,6 Milliarden Euro in neuen Bondfonds investiert, deutlich mehr als die neuen Fonds im ersten Halbjahr dieses Jahres einsammeln konnten. 

Neuemissionen weisen in diesem Jahr tiefere Kosten als 2017 auf 

Die Bedeutung alternativer Fonds ist gegenüber dem Vorjahrszeitraum ebenfalls rückläufig: Wurden im ersten Halbjahr 2017 noch 118 alternative Fonds aufgelegt, so waren es in diesem Jahr nur noch 94 neue Fonds, wie aus der unteren Tabelle hervorgeht. Auch das Vermögen der so genannten Hedgefonds „light“ waren per Ende dieses Halbjahres mit 6,7 Milliarden Euro deutlich niedriger als im Vorjahr, als die neuen Fonds der Kategorie noch 12,2 Milliarden Euro auf die Waage brachten. 

Im Schnitt kommen die neuen Fonds auf Kosten von 1,08 Prozent pro Jahr. Unter den grossen Kategorien sind dabei Mischfonds mit Gebühren von durchschnittlich 1,42 am teuersten. Die laufenden Kosten liegen bei Aktienfonds dagegen bei 0,99 Prozent, bei neuen Obligationenfonds werden im Schnitt 0,62 Prozent an jährlichen Gebühren fällig. Ein Vergleich zum Vorjahrestrend zeigt, dass die neuen Fonds im Schnitt günstiger geworden sind. Neue Mischfonds kosteten 2017 1,47 Prozent und somit fünf Basispunkte über den Fondskosten in diesem Jahr. Neue Aktienfonds kosteten 2017 im Schnitt mit 1,03 Prozent vier Basispunkte mehr, Bondfonds waren mit 0,73 an laufenden Gebühren im Schnitt sogar um elf Basispunkte teurer. 

Tabelle: Neue Fonds aus der Vogelperspektive: Die Asset Klassen All new funds 2018

Welche Bedeutung haben neue Nachhaltigkeitsfonds? Im ersten Halbjahr kamen 83 neue Produkte mit ESG-Mandat auf den Markt, die per Ende Juni ein Vermögen von knapp 3,7 Milliarden auf die Waage brachten. Nach Vermögen entspricht das gut drei Prozent des Vermögens in neuen Fonds per 30. Juni, zahlenmässig liegt das Gewicht der neuen ESG-Fonds bei rund 7,5 Prozent. Die meisten ESG-Fonds finden sich im Aktienfondssegment, was den Markt für ESG-Fonds insgesamt reflektiert, das recht Aktienfonds-lastig daherkommt. Mischfonds sind das zweite grosse ESG-Segment mit Blick auf die Neuauflagen. 

Damit ist die Zahl der neuen ESG-Fonds gegenüber dem Vorjahreszeitraum gestiegen, als 66 Fonds mit Nachhaltigkeitsmandat auf den Markt kamen. Die Kosten der ESG sind – entgegen der Vermutung vieler Beobachter – tiefer als die Kosten neuer Fonds insgesamt. Für neue ESG-Mischfonds fallen Gebühren von durchschnittlich 1,23 Prozent an, satte 19 Basispunkte als für neue Mischfonds insgesamt. Neue ESG-Aktienfonds kosten im Schnitt nur 0,76 Prozent pro Jahr, nachhaltige Bondfonds kosten sogar nur 0,37 Prozent, wobei letztere Zahl aufgrund der geringen Zahl an neuen ESG Bond Funds mit Vorsicht genossen werden sollte. 

Mit Blick auf das ESG-Profil erfüllen die Fonds grosso modo ihren Auftrag: die neuen ESG-Fonds kommen auf überdurchschnittliche Werte mit Blick auf die Portfolio Environmental, Portfolio Social und Portfolio Governance Scores. Das resultiert in einem überdurchschnittlichen Gesamtprofil von einem leicht überdurchschnittlich Morningstar Sustainability Rating von 3,7 Globen. Da jedoch viele der neuen Fonds im Aufbau sind und viele folglich noch keine Portfolios geliefert haben, weisen nur 16 von 83 neuen Nachhaltigkeitsfonds Morningstar Sustainability Ratings auf. 

Tabelle: Neue ESG-Fonds am Markt New esg funds europe 2018

Kommen wir nur zur Sicht des Markts durch die Aktiv-Passiv-Brille. Unter den neuen Fonds befinden sich 1013 aktiv verwaltete Produkte, die per Ende Juni ein Vermögen von gut 74 Milliarden Euro aufwiesen. 93 Fonds, ETFs und nichtbörsennotierte Indexfonds, werden passiv gemanagt. In ihnen steckten per 30. Juni knapp 26 Milliarden Euro. 

Kommen wir zunächst zu den aktiv verwalteten Produkten. Wie bereits oben auf der Ebene der Asset-Klassen angedeutet, ist die Bedeutung von Mischfonds unverändert gross. Rund 28,6 Milliarden Euro stecken in neuen Mischfonds. Das entspricht gut 38 Prozent der Assets, die per 30. Juni in neuen Fonds gemessen wurden. Der Marktanteil von Mischfonds an allen aktiv verwalteten Fonds macht dagegen europaweit nur gut 16 Prozent aus. 

Die anderen beiden grossen Asset-Klassen, Aktien und Bonds, sind bei den Neuauflagen ebenfalls stark vertreten, wobei in 204 neuen Bondfonds gut 17,5 Milliarden Euro per Ende Juni investiert waren, verglichen mit 14,7 Milliarden Euro, die in 287 neuen Aktienfonds steckten. Wie bereits oben angedeutet, ist die Emissionstätigkeit insgesamt schwächer als im Vorjahreszeitraum. Vor allem die Bedeutung von alternativen Fonds hat gegenüber dem Vorjahr abgenommen. Allerdings waren in den „Hedgefonds light“ per Ende Juni 2018 immer noch neun Prozent der Assets in neuen Fonds investiert, verglichen mit einem Alternatives-Marktanteil von nur 5,6 Prozent an aktiv verwalteten Fonds insgesamt. Insgesamt wächst dieses Segment nach wie vor also überdurchschnittlich. 

Mit Blick auf die Kosten liegen bei aktiv verwalteten Fonds Mischfonds an der Spitze mit Jahresgebühren von 1,43 Prozent, gefolgt von alternativen Fonds (1,26 Prozent), Aktienfonds (1,14 Prozent) und Bondfonds (0,71 Prozent). Wenig überraschend ist die Tatsache, dass knapp ein Drittel der alternativen Fonds eine Performance-Gebühr erhebt. Indes ist auffällig, dass bei Mischfonds die Quote bei hohen 25 Prozent liegt. Zum Vergleich: Nur 16 Prozent der neuen Aktienfonds und zehn Prozent der neuen Obligationenfonds erheben erfolgsabhängige Gebühren. 

Tabelle: Die neuen aktiv verwalteten Fonds am Markt 

Table new activefunds 2018

Indexfonds machen zahlenmässig 8,5 Prozent der Neuauflagen aus. Das liegt im Rahmen des marktüblichen: Der zahlenmässige Anteil von Indexfonds am europäischen Fondsmarkt (ex Geldmarktfonds) beläuft sich auf rund zehn Prozent. Auch im Vorjahreszeitraum lag die Indexfonds-Quote in etwa auf demselben Niveau. Das Gewicht am verwalteten Vermögen der neuen Indexfonds lag in diesem Jahr indes bei überdurchschnittlich hohen 25 Prozent des gesamten Neuemissionsvolumens per Ende Juni. Das ist deutlich mehr als der Marktanteil von Indexfonds am verwalteten Vermögen in Europa von knapp 14,3 Prozent (inklusive Geldmarktfonds; unter Herausrechnung dieser Kurzfristvehikel liegt die Indexfondsquote bei gut 16,2 Prozent der Publikumsfondsgelder europaweit). 

Die Marktübersicht zeigt: Beim Indexfondsgeschäft geht es um Masse. Es deutet sich bereits kurz nach der Auflage der Fonds an, dass aktiv verwaltete Fonds es oft schwer haben, auf ein nennenswertes Vermögen zu kommen. Im Schnitt hatten neue, aktiv verwaltete Fonds zum Halbjahr ein durchschnittliches Vermögen gut 73 Millionen Euro, der durchschnittliche Indexfonds bringt es auf knapp 280 Millionen Euro. Das geringe Vermögen kann sich nachteilig auf die Kosten für Anleger auswirken und hat darüber hinaus auch zur Folge, dass viele der Fonds mangels Masse nach einer Weile vom Markt verschwinden, wenn das Anlagekonzept nicht kurzfristig erfolgreich ist. Auch das ist ein Grund für die Schnelllebigkeit der Branche. 

Unsere Tabelle zeigt – wenig überraschend – dass die Gebühren der neuen Indexfonds sehr viel niedriger sind als die Gebühren der neuen aktiv verwalteten Fonds. Aktienfonds kosten im Schnitt 0,33 Prozent pro Jahr, bei Bond Funds werden Gebühren in Höhe von 0,20 Prozent pro Jahr fällig. Die drei neuen passiven Mischfonds – zwei wurden von der Commerzbank-Tochter ComStage für den deutschen, ein Misch-ETF wurde von Invesco für den italienischen Markt aufgelegt – kosten im Schnitt 0,48 Prozent pro Jahr. 

Interessant ist, dass die neuen ETFs einen Schapps teurer sind als nichtbörsennotierte Indexfonds. Die Tabelle zeigt, dass die Aktien- und Obligationen-ETFs um durchschnittlich einen bzw. fünf Basispunkte teurer sind als die nichtbörsennotierten Indexfonds. Beim gesamten europäischen Markt für Indexfonds verhält es sich genau andersherum. Nichtbörsennotierte Indexfonds reflektieren häufig eher die Begebenheiten lokaler, eher geschlossener Märkte. Es handelt sich zudem häufig um so genannte Legacy-Produkte, also Fonds aus grauer Vorzeit, die aufgelegt wurden, bevor es ETFs gab. 

Indes müssen sich ETFs im grenzüberschreitenden Konkurrenzkampf behaupten und sind in der Regel sehr kompetitiv gepreist. Doch die Zeiten ändern sich offenbar. Unter den neuen nichtbörsennotierten Indexfonds befinden sich Produkte von Fidelity, Vanguard und Credit Suisse, die es – preismässig – locker mit ETFs aufnehmen können. 

Tabelle: Die neuen passiven Fonds in der Übersicht

Passive Funds 2018 

Hier die Übersicht über die vierteilige Analyse zu neuen Fonds am Markt: 

1. Asset-Klassen, Aktiv-Passiv- und ESG-Bilanz;

2. Die Fondskategorien;

3. Die aktivsten Fondsanbieter; 

4. Die Vertriebsregionen.

 Die Analysen in diesem Artikel basieren auf unserem Tool für professionelle Anleger. Weitere Informationen zu Morningstar Direct erhalten Sie hier.

 

 

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Über den Autor

Ali Masarwah

Ali Masarwah  Ali Masarwah war von 2011 bis Frühjahr 2021 als Chefredakteur für die deutschsprachigen Anleger Websites von Morningstar verantwortlich