Vermutlich bleibt den meisten Investoren nichts anderes übrig, als dem Motto zu folgen, das Charles („Chuck“) Prince, weiland CEO der Citigroup, kurz vor der grossen Finanzkrise 2008 ausgegeben hatte: „Solange die Musik spielt, muss man tanzen“. Mit dem Zitat brachte es Prinz -- unfreiwillig -- zu Berühmtheit, stand er doch fortan für die vermeintlich zügellose Gier des Finanzkapitals, das unverdrossen auch im Angesicht der nahenden Katastrophe munter mit Anlegergeldern weiterzockt. Das wurde schon damals der Sache nicht gerecht und wird es heute erst Recht nicht.
In Zeiten nicht vorhandener Zinsen sind Investoren in den Industrieländern praktisch gezwungen, Renditen ausserhalb der Komfortzone von traditionellen Nominalanlagen zu suchen. Die Folge: Gemischte Portfolios sind seit der Finanzkrise zunehmend Aktien-lastiger geworden, und auf der Bond-Seite sind immer mehr Kredit-(weniger Zins-)Risiken ins Spiel gekommen. Das ist in den vergangenen Jahren gut gegangen, weil die Preise praktisch aller Risiko-Assets gestiegen sind. Doch im Jahr acht der Aktienhausse stellt sich die Frage immer drängender, wie lange das Eingehen von Aktien- und Kreditrisiken noch gut gehen wird.
Das Grundproblem an der Sache ist bekannterweise, dass man Crashs im Vorhinein nicht kommen sieht, auch wenn man im Nachhinein furchtbar schlau daherreden mag. Märkte neigen regelmässig zur Übertreibung, und sie können sich verdammt lang irrational verhalten. Und merke: Längst nicht jede spekulative Blase platzt mit einem lauten Knall. Angesichts der nachgewiesenen Erfolglosigkeit von Market-Timing-Versuchen empfehlen wir bei Langfristportfolios, klare Kante zu zeigen, die Asset-Allokation strategisch anzugehen und allenfalls ein jährliches oder halbjährliches Rebalancing vorzunehmen, das eine wohltuend antizyklische Wirkung entfaltet.
Das Grundproblem ist bekannterweise, dass man Crashs im Vorhinein nicht kommen sieht, auch wenn man im Nachhinein furchtbar schlau daherreden mag.
Wir wollen an dieser Stelle die Ausblicke einiger prominenter Vermögensverwalter nachskizzieren. Etliche meldeten sich auf dem Investmentforum "Petersberger Treffen" zu Wort. Die in Deutschland von Wealth Managern und IFAs geschätzte Konferenz, die vor wenigen Tagen im Kölner Exil stattfand (das ehrwürdige Grandhotel Petersberg in Königwinter bei Bonn wird gerade kernsaniert), drehte sich um das Thema Mischfonds, und es gab wohltuend kurze Vorträge von prominenten Mischfonds-Managern -- die Dank Konferenz-Whip Björn Drescher tatsächlich ihr Zeitlimit einhielten. Im Anschluss wollen wir kurz auf die Positionierungen der Mischfonds der Konferenzteilnehmer und ihre bisherige Bilanz blicken.
Was haben die Kapitalmärkte mit der Rumtreiberin Goldilocks zu tun?
Grosso modo gehen die Manager gemischter Portfolios von weiterhin günstigen Bedingungen am Kapitalmarkt aus. Nach ihren Prognosen wird uns das Goldlöckchen-Szenario (auf Englisch: Goldilocks) auch 2018 begleiten. Der Name leitet sich von einem englischen Märchen ab, in dem sich ein Mädchen in einem Wald verirrt, zur verlassenen Hütte der drei Bären gelangt und dort einen gerade richtig warmen Brei isst um sich dann auf das gerade richtig weiche Bett zu legen (und einzuschlafen). Man spricht von einer Goldlöckchen-Ökonomie, wenn das Wirtschaftswachstum robust bzw. leicht über dem langjährigen Durchschnitt liegt, die Inflation zugleich niedrig ist und die Zinsen tief bleiben. Das ist das Zeug, aus dem eine Aktien-Hausse gemacht ist!
„Das Goldilocks-Szenario hält an, auch wenn die Situation fragiler wird“, sagte Ingo Mainert, CIO Multi Asset Europe bei Allianz Global Investors. 2018 werde man die Fortsetzung des Aufschwungs sehen, der sich derzeit durch eine „hohe Konjunkturdynamik“ auszeichne. Allerdings werde sich die Wirtschaftsdynamik global ab der zweiten Jahreshälfte im Zuge der steigenden (Kern-)Inflationsrate abschwächen. Die Notenbanken würden deshalb auf eine restriktivere Geldpolitik umschwenken, auch die EZB, die 2019 die Zinsen erhöhen könnte. Im kommenden Jahr würden die Märkte deshalb anfälliger für eine Korrektur sein. Mainert wörtlich: „Es gibt einen Zyklus!“.
Diese scheinbare Binse ist erwähnenswert, weil die Notenbanken durch tiefe bzw. negative Zinsen und ihre Anleihekaufprogramme die Renditen am Bond-Markt massiv nach unten gedrückt und damit wesentlich zum Run der Anleger auf Risikopapiere beigetragen haben.
Gibt es tiefe Zinsen auf alle Ewigkeiten?
Regelrecht sorglos gab sich dagegen Dr. Bert Flossbach, Fondsmanager des flexiblen Mischfonds FvS Multiple Opportunities. Die Verschuldung vor allem der Euro-Südstaaten hätten einen „Point of no return“ markiert, weshalb die Notenbanken die Zinsen schlicht und ergreifend nicht erhöhen könnten – „die tiefen Zinsen bleiben für die Ewigkeit“, so Flossbach. Die logische Konsequenz aus dieser Weltsicht: Aktien vertrügen höhere Bewertungen. Deshalb habe er im Multiple Opportunities die Cash-Quote von 20 auf zehn Prozent gesenkt. Aktuell betrage die Aktienquote knapp 70 Prozent. Infolge der hohen Kosten würden Fremdwährungspositionen dabei nicht abgesichert. (Zur Erinnerung: Die hohe Dollar-Quote hat der Performance der FvS-Mischfonds in diesem Jahr geschadet.)
Eher risikoavers gibt man sich indes beim französischen Haus Carmignac Gestion, das inzwischen den Untertitel "Risikomanager" im Namenslogo führt. Rose Ouahba, Leiterin des Rententeams und Co-Managerin des Carmignac Patrimoine, hob die steigenden Risiken am Bond-Markt hervor, die durch das langsame Auslaufen der Anleihekaufprogramme der Notenbanken hervorgerufen würden. Insbesondere eine Neubewertung deutscher Bundesanleihen stelle eine Risikoquelle für traditionellerweise risikoarme Staatsanleihen dar. Im Carmignac Patrimoine seien deshalb Peripherie-Anleihen und Emerging Markets Bonds vertreten. Auf der Kredit-Seite sei man eher defensiv positioniert.
Russ Koesterich bringt Gold als Beimischung aufgrund der typischerweise negativen Korrelation zu Aktien in Krisenzeiten ins Spiel
Es gab noch mehr nachdenkliche Stimmen. „Die USA erleben gerade die zweitlängste Aktienhausse ihrer Geschichte; noch nie war ein typisches gemischtes Portfolio höher bewertet als heute“, warnte Russ Koesterich, Fondsmanager und Mitglied des globalen Allocation Teams von BlackRock. Er brachte Gold als Beimischung für Mischportfolios aufgrund der typischerweise negativen Korrelation zu Aktien in Krisenzeiten ins Spiel. Dies sei umso wichtiger, als sich Aktien und Bonds künftig durchaus im Gleichklang bewegen könnten. Je höher die Aktienquote in einem gemischten Portfolio, desto höher könne man die Goldquote hochfahren, so Koesterich. Explizitere Warnungen vor einem Crash wird man in der notorisch optimistischen Long-only-Fondsbranche vermutlich nicht vernehmen.
Das Drama, das nicht um die Ecke kam
„Gemischte Signale“ will auch Dr. Georg von Wallwitz von der Eyb & Wallwitz Vermögensmanagement ausgemacht haben. Für eine Blase spreche die Tatsache, dass sich die Aktienkurse von Technologie-Aktien in den vergangenen Jahren verdoppelt hätten. Auch habe die Momentum-Strategie Value-Titel deutlich outperformt. Gegen eine spekulative Blase spreche indes die Underperformance von Börsenneulingen sowie die Abwesenheit einer nennenswerten Volatilität, die im Vorfeld eines Crashs typischerweise ansteige, so der Vermögensverwalter, der insgesamt „kein echtes Drama um die Ecke kommen“ sehe (und der, anders als BlackRock-Mann Koesterich und Bert Flossbach nicht auf Gold setzt.)
Aufgrund der positiven Diversifikations-Effekte plädierte James Bateman, Leiter des Multi-Asset-Teams bei Fidelity, für alternative Investments als weitere Komponente von Mischfonds. Darüber hinaus brachte er das Thema Target-Volatility ins Spiel. Portfolios nach Volatilität zu steuern bringe stabilere Ergebnisse als klassische Asset-Allocation Modelle, bei denen typischerweise die Prognose von Renditen im Vordergrund stehe, was aufgrund der Instabilität von Performance-Verläufen schwierig sei.
In die ähnliche Richtung argumentierte Mathias Hoppe von Franklin Templeton, der für einen Abschied vom „Anlageklassen-Denken“ und hin zur Portfolio-Steuerung nach Risikofaktoren progagierte. Mit Blick auf Diversifikationsinstrumente brachte der Templeton-Manager Relative Value Strategien ins Spiel. „Man muss sich auf ein Ende des Goldilocks-Szenarios vorbereiten“, so Hoppe zur Begründung.
Fazit: Ein abruptes Ende der Aktienhausse ist nach Meinung der meisten Vermögensverwalter nicht zu erwarten, frei nach dem Motto: „Goldilocks wird nicht sterben, weil Goldilocks nicht sterben darf“. Das liegt sicher zum einen sicher an der notorisch optmistischen Natur von Fondsmanagern, von denen nur die wenigsten für einen Verkauf von Asset-Klassen plädieren würden, in die ihre Fonds typischerweise investieren. (Es sei denn, sie wollen sich als Market-Timing-Profis ins Spiel bringen, was Anleger ebenfalls vom schlimmen Gedanken abbringen soll, ihren Fonds zu verkaufen.)
Doch zum anderen fehlen tatsächlich handfeste Signale bzw. auch gute Gründe für einen unmittelbar bevorstehenden Crash. Auch wenn die Aktienbewertungen (und erst recht die von Anleihen) erstaunliche Höhen erreicht haben, ist das allenfalls eine notwendige, aber noch keine hinreichende Bedingung für eine Korrektur. Insofern sollten die bullischen Äußerungen von Fondsprofis nicht nur als Marketing in eigener Sache abgetan werden.
Anleger täten allerdings gut daran, sich an das Ende von „Goldilocks“ zu erinnern: Die drei Bären kommen am Ende der Geschichte nach Hause zurück und verjagen den kecken Eindringling. Übertragen auf die Welt des Investierens heisst das, dass am Ende die Hausse zuende gehen wird. Die Volatilität wird früher oder später zurückkehren, und das sollte Anleger davon abhalten, noch im Altweiber-Sommer der Hausse voll ins Risiko zu gehen. Wachsam sein ist also angesagt. Aber vielleicht sollte man es mit der Märchenanalogie nicht zu weit treiben. In der wenig bekannten Urfassung von Goldilocks ist die Protagonistin kein junges Mädchen, sondern eine alte Frau, die sich bei der Flucht vor den Bären auf einer Kirchturmspitze aufspiesst.
Hier gelangen Sie zur kritischen Würdigung der Fonds der Disputanten auf dem Petersberger Treffen.