In unserer Reihe zu Indexierungstrends von Kapitalanlagen in Europa haben wir uns im ersten Teil das Wachstum von Indexfonds in den wichtigsten zehn Aktienkategorien näher angeschaut und dabei festgestellt, dass Index-Tracker schneller wachsen als aktiv verwaltete Fonds. Im zweiten Teil unseres Artikels haben wir die Qualität der Indexfonds in diesen zehn Aktienkategorien überprüft und festgestellt, dass mit wenigen – prominenten – Ausnahmen Indexfonds gegenüber ihrer jeweiligen Kategorie im Schnitt ein überlegenes Rendite-Risiko-Profil besitzen. Abschliessend wollen wir ein weiteres Fass aufmachen und sehen, ob es Unterschiede zwischen börsennotierten Indexfonds, also ETFs, und nichtbörsennotierten Indexfonds gibt.
Die Unterscheidung zwischen ETF und nichtbörsennotierten Indexfonds mag für Leser in Deutschland und Österreich überraschend sein, da in diesen beiden Ländern Index-Publikumsfonds, die traditionell an Privatinvestoren vertrieben werden, keine Tradition haben. Hier dominieren ETFs den Indexfondsmarkt für Privatanleger, nichtbörsennotierte Indexfonds spielen in Deutschland und Österreich keine grosse Rolle im direkten Privatkundenvertrieb.
Erster europäischer Indexfonds wurde bereits 1958 aufgelegt
Das ist in Ländern wie Schweden anders. Der älteste europäische Indexfonds ist der 1958 aufgelegte Handelsbanken Sverigefond Index, der in schwedische Aktien investiert. Auch in Dänemark, Grossbritannien und Frankreich wurden bereits in den achtziger Jahren zahlreiche Indexfonds auf den Markt gebracht. Wenn also von „klassischen“ Indexfonds die Rede ist, sind ETFs mit Sicherheit nicht gemeint, die erst Ende der 1990-er Jahre auf den Plan traten – der älteste ETF in Europa ist ein Schweizer Aktienfonds auf den SMI und wurde im Oktober 1999 von der Credit Suisse aufgelegt (der Fonds segelt heute unter der iShares-Flagge).
Anders als in Deutschland und in Österreich sind nichtbörsennotierte Indexfonds in der Schweiz inzwischen sehr weit verbreitet. Ein Blick in unsere Datenbank zeigt, dass ausschliesslich in der Schweiz vertriebene Indexfonds ein Vermögen von 180 Milliarden Euro auf die Waage bringen. (von dem gesamten Vermögen von gut 600 Milliarden Euro in europäisch domizilierten Indexfonds ex ETFs stecken etliche weitere Milliarden in Schweizer Portfolios, die wir allerdings nicht genau aufschlüsseln können; zum Vergleich: Das Vermögen der ausschliesslich in Deutschland vertriebenen Indexfonds beläuft sich auf nur etwas über eine Milliarde Euro.)
ETFs oder Indexfonds: Keine triviale Frage
In Kürze die wichtigsten Unterschiede zwischen beiden Indexfonds-Arten in der Theorie, bevor wir uns in die Praxis stürzen. Der für Anleger wichtigste Unterschied ist, dass der Handel mit ETFs über die Börse abläuft, was Kenntnisse über die Natur dieses Vertriebswegs erfordert. Das ist kein Hexenwerk, man muss nur einige wenige Regeln beherzigen, über die wir schon häufig berichtet haben (lesen Sie beispielsweise hier). Wichtig ist dabei vor allem, dass die Handelskosten nicht aus dem Ruder laufen.
ETF-Anbieter heben häufig die Vorteile von börsennotierten Indexfonds dergestalt hervor, dass für ETFs laufend Kurse gestellt werden und dass daher die Abwicklung einer Order zum sekündlich genau gestellten Kurs erfolgt. (Anleger zahlen eine Handelsspanne, den so genannten Spread). Indes wird der Fondspreis bei nichtbörsennotierten Indexvehikeln nach Aufgabe der Order bei der Fondsgesellschaft berechnet. Der Handel erfolgt also zum Nettoinventarwert, und der genaue Preis ist dem Anleger nicht bekannt. Das stellen ETF-Fans typischerweise als Nachteil von nichtbörsennotierten Fonds dar.
Doch dieser vermeintliche Vorteil ist für die allermeisten Anleger bestenfalls irrelevant, schlimmstenfalls sogar schädlich. Verkürzt gesagt spricht viel dafür, dass die Real-Time Handelbarkeit von ETFs Anleger zum häufigen Umschichten verführt. Wie wir alle wissen, ist das häufige Handeln für die Anlegerperformance schädlich. (Das Trading-Verhalten mit ETFs wurde bereits vor einiger Zeit für Anleger in Deutschland recht genau untersucht. Die Studie trägt den sprechenden Titel „The Dark Side of ETFs“).
Doch das nicht-börsennotierte Fonds der Idee nach die bessere Lösung sind, ist das Eine. Das andere ist, dass in vielen Märkten nicht beide Indexfonds-Typen vorhanden sind, etwa in Deutschland und Österreich, wo ETFs für Index-Investoren faktisch die einzige Wahl sind. In Ländern wie der Schweiz haben Anleger dagegen die Qual der Wahl.
Kommen wir nun zu den Unterschieden zwischen ETFs und nichtbörsennotierten Indexfonds in den zehn wichtigsten Aktienkategorien. Die untere Tabelle, die nach dem identischen Schema wie die Tabellen der beiden vorherigen Beiträgen gestaltet ist, illustriert die wichtigen Eckpunkte: Die Morningstar Ratings sowie die Kosten von ETFs und nichtbörsennotierten Indexfonds in den beiden jeweiligen Kategorien.
So lesen Sie die Tabelle: Links finden sich die Fonds-Kategorien. Grün markiert sind die Felder, die ETF-Daten enthalten, die Zeilen darunter enthalten jeweils die Daten zu nichtbörsennotierten Fonds der identischen Kategorie. Weiter rechts finden sich die Angaben zu den Ratings im Zeitverlauf und in der Spalte rechts sind die Kosten aufgeführt. Das ermöglicht den einfachen Vergleich zwischen beiden Indexfonds-Typen. Nur eine Kategorie fällt durch das Raster: Es gibt in der für Anleger im deutschsprachigen Raum wichtigen Produktkategorie "Dividendenfonds global" nur ETFs. Nichtbörsennotierte Indexfonds sind hier Fehlanzeige.
Tabelle: ETFs und nichtbörsennotierte Indexfonds im Vergleich
Der Vergleich zwischen Kosten und Rendite-Risiko-Profil der beiden Indexfondstypen fällt erstaunlich eindeutig zugunsten der ETFs aus. Ende 2016 hatten ETFs in sechs der neun betrachteten Kategorien (wie gesagt: in der zehnten Kategorie laufen ETFs ausser Konkurrenz) im Schnitt ein höheres Morningstar Sterne Rating als nichtbörsennotierte Indexfonds. Besonders gross sind die Qualitätsunterschiede in den Kategorien Aktien Eurozone, Aktien USA und Aktien Deutschland. Hier haben ETFs das eindeutig bessere Rendite-Risiko-Profil.
Anders sieht es bei den Aktien-Kategorien Emerging Markets, Asien-Pazifik ex Japan und Schweiz aus, wo ETFs den Kürzeren ziehen – bei Aktien Schweiz ist die Differenz besonders ausgeprägt.
Dieses Bild ist seit 2013 konstant geblieben: Die Emporkömmlinge wiesen in den vier Betrachtungszeiträumen konstant ein günstigeres Rendite-Risiko-Profil auf. Doch woran liegt das? Indextracker bleibt doch Indextracker, egal, ob in der Hülle eines ETFs oder in einer Open-end Konstruktion? Sind ETFs die besseren Tracker? Das erscheint unwahrscheinlich, zumal die Teams, die beide Produktgattungen anbieten, häufig die identischen sind, wenn ein Fondshaus beide Indexfondstypen anbietet.
Je billiger, je besser
Sucht man nach den Ursachen der Qualitätsunterschiede, dann gelangt man recht schnell zu den Kosten. ETFs weisen im Schnitt in den meisten Kategorien Kostenvorteile auf, und zwar in sieben der neun Kategorien. Generell gilt dabei: Je grösser der Kostenvorteil, desto besser fällt das Rendite-Risiko-Profil aus. Bei der Kategorie Aktien Eurozone ist der Unterschied bei den Kosten besonders markant. Hier weisen ETFs im Schnitt 51 Basispunkt weniger an jährlichen Kosten auf. Mit einer Differenz von 0,72 Morningstar Sternen ist hier der Qualitätsunterschied per Ende 2016 besonders markant. Auffällig ist diese Korrespondenz auch bei Aktien USA Standardwerte und Aktien Deutschland.
Interessanterweise schneiden nichtbörsennotierte Indexfonds in den Kategorien am besten ab, in denen sie auch Kostenvorteile besitzen: Aktien Schweiz und Aktien Asien ex Japan. Nur in der Kategorie Aktien Schwellenländer gilt die Gleichung nicht. Hier sind ETFs günstiger, bringen aber weniger Sterne auf die Waage. Hier bietet sich als Erklärung der Umstand an, dass es etliche Dividenden- und fundamentalgewichtete (Strategic Beta-) ETFs gibt, die ein unterdurchschnittliches Rendite-Risiko-Profil besitzen. Das zieht das Durchschnitts-Rating nach unten, während die klassischen Indextracker zumeist keine Strategic-Beta-Pirouetten drehen und typischerweise den MSCI Emerging Markets abbilden.
Fünf Erklärungsversuche und eine These zur künftigen Entwicklung
So eindeutig sich die Kostenunterschiede als Ursache für das überlegene Rendite-Risiko-Profil von ETFs in den Vordergrund drängen, so unklar ist die Antwort auf die Frage nach dem Warum. Aber wir wollen einige Vermutungen anstellen:
- Nichtbörsennotierte Indexfonds werden häufig in spezifischen Märkten, ja gelegentlich sogar in spezifischen Vertriebskanälen vertrieben. Wer in einem lokalen Markt eine Art Monopolfunktion inne hat, der ist vor der scharfen Konkurrenz des grenzüberschreitenden Vertriebs, dem ETFs ausgesetzt sind, geschützt. (Wir reden, wohlgemerkt, über Durchschnitte!);
- Nichtbörsennotierte Indexfonds sind seit langem am Markt; sie stammen in gewisser Weise aus einer anderen Zeit. Dass passive Fonds vor 25 Jahren rund 100 Basispunkte an Gebühren aufwiesen, war keine Besonderheit. Sie hatten in erster Linie die Funktion, bestimmte Märkte abzubilden. ETFs wurden dagegen bewusst als günstige Alternative zu aktiv verwalteten Fonds geschaffen und waren daher von vorneherein mit Kampfkonditionen ausgestattet;
- ETFs waren durch ihr Börsen-Listing von vorneherein den Scheinwerfern der Öffentlichkeit ausgesetzt, was vermutlich auch das Ergebnis eines geschickten Marketings der Anbieter und der Börsen ist, an denen sie gelistet sind. Viele nichtbörsennotierte Indexfonds bewegen sich dagegen immer noch im Ökosystem ihrer lokalen Märkte und Vertriebskanäle und fliegen damit häufig unter dem Radar der Medien und der Öffentlichkeit. Es spricht allerdings einiges dafür, dass das im Begriff ist sich zu ändern – in Gestalt der Credit Suisse ist ein erster Indexfondsanbieter im deutschsprachigen Raum mit einer offensiven Vermarktungskampagne unterwegs. Vanguard ist vor allem in Grossbritannien mit klassischen Indexfonds sehr aktiv unterwegs.
- ETFs werden deutlich stärker von Profis eingesetzt als Indexfonds, die häufiger im Retailvertrieb eingesetzt werden. Das ist zumindest bei Nicht-institutionellen Publikumsfonds der Fall. Vermögensverwalter, institutionelle Investoren und Dachfondsmanager nutzen ETFs häufig als taktische Tools. Sie haben ein viel schärferes Auge für die Konditionen als Privatanleger. Daher rührt auch der Charme von ETFs für Privatanleger: Es sind die einzigen Investmentvehikel, die ihnen die identischen Konditionen bieten, in deren Genuss sonst nur Grossanleger kommen.
- Bei ETFs wird das meiste Geld im Handel verdient und nicht durch die Management Gebühr. Das verwundert nicht, denn es handelt sich um Trading-Instrumente. Indexfonds sind dagegen Fonds im ursprünglichen Sinne des Wortes und müssen im Zweifel auch den Bankberater glücklich machen. Häufig inkludieren sie daher auch Kickbacks, welche die Produkte teurer machen. Das ist ein weiterer Pluspunkt für ETFs.
Das Fazit: Keine Struktur ist in Stein gemeisselt
Ein Blick auf die oberen Erklärungsversuche zeigt, dass die Ursachen für die Kostennachteile von herkömmlichen Indexfonds keinesfalls in Stein gemeisselt sein müssen. Meine These lautet, dass der Fondsmarkt insgesamt zunehmend transparenter wird, womit auch die Konkurrenz sich verstärken wird. Zudem wird die verstärkte Regulierung des Fondsvertriebs ebenfalls die Gebühren von Indexfonds unter Druck setzen. Die Kosten von nichtbörsennotierten Indexfonds werden ins Rutschen kommen.
Auch die Dynamik der ETF-Branche könnte ins Spiel kommen. Es werden immer mehr Strategic Beta ETFs auf den Markt geworfen, die teurer sind als herkömmliche Indextracker. Auch zeigt der gemischte Erfolg der semi-aktiven Strategien, etwa anhand des Beispiels von Emerging Markets ETFs, dass die Anbieter von ETFs drohen, in eine selbstgestellte Falle zu tappen. Sie wildern immer stärker im Revier der aktiven Manager und drohen damit mit aktiven Strategien ebenfalls in die Underperformance-Falle zu geraten.
Klassische Indextracker, die nicht so stark im Rampenlicht stehen wie ETFs, könnten möglicherweise eher diversifizierende, No-Frills-Bausteine in den Vordergrund rücken, was erfahrungsgemäss nicht das Schlechteste unter Rendite-Risiko-Gesichtspunkten sein muss.