In der ETF-Branche purzeln derzeit die Preise. Zumindest auf den ersten Blick. „Preiskampf der ETF-Anbieter, Geldanlage billig wie nie!“, jubelte jüngst eine Informationsplattform (zu deren Geschäftsmodell auch eine Anbindung an Online-Broker gehört). Auch wir haben über die Gebührensenkungen zahlreicher ETF-Anbieter berichtet. Wir begrüssen Gebührensenkungen ausdrücklich, da niedrige Kosten ein zuverlässiger Weg für Anleger ist, mehr Rendite aus ihrem Investment herauszuholen.
Allerdings sollten Investoren nicht übermütig werden, sondern bei der Produktauswahl Sorgfalt walten lassen. Denn nicht alle ETFs sind so günstig, wie es auf den ersten Blick erscheint. Beispiel db X-trackers. Der ETF-Bereich der Deutschen Bank macht schon seit Monaten mit Gebührensenkungen auf sich aufmerksam. So wurden Anfang des Jahres die Kosten von vier ETFs auf den DAX 30, FTSE 100, Euro STOXX 50 und MSCI USA auf 9 Basispunkte vereinheitlicht. Das entsprach bei einem Produkt – dem ETF auf den FTSE 100 Index - einer Drittelung der laufenden Kosten.
Bei Core-ETFs lohnt sich ein genauer Blick
Doch nicht alle ETFs auf diese Indizes sind tatsächlich günstiger geworden. Stichwort FTSE 100 ETF: Anleger sollten genau auf die ISIN achten. 9 Basispunkte kostet der Ende 2012 aufgelegte db x-trackers FTSE 100 ETF (DR) mit der ISIN LU0838780707. Nicht von der Gebührensenkung berührt ist dagegen der bereits 2007 aufgelegte db x-trackers FTSE ETF 100 (DR) Inc mit der ISIN LU0292097234. Er kostet nach wie vor 30 Basispunkte pro Jahr. Das etablierte Produkt bringt es auf ein Vermögen von knapp 350 Millionen Euro, der günstige FTSE 100 ETF ist dagegen nur 17 Millionen Euro leicht. Die allermeisten Anleger sind also nicht in den Genuss der spektakulären Gebührensenkung gekommen (die streng genommen keine war, weil der neue ETF bereits seit Auflage 9 Basispunkte kostet).
Das gilt auch für den db x-trackers MSCI USA. Der erst im Mai dieses Jahres aufgelegte irische ETF mit der ISIN IE00BJ0KDR00 kostet 9 Basispunkte. Er weist inzwischen knapp 330 Millionen Euro auf. Der wesentlich größere, bereits 2007 aufgelegte Luxemburger db x-trackers MSCI USA TRN 1C (LU0274210672) kostet nach wie vor 30 Basispunkte. Er bringt 1,37 Milliarden Euro auf die Waage. Auch hier kommen derzeit also nur relativ wenige Anleger in den Genuss der niedrigeren Gebühren.
Verwirrende Produkt- und Preisvielfalt bei iShares
Perfektioniert hat das System der selektiven Gebührensenkungen indes Marktführer iShares. Anfang Juni brachte die BlackRock Tochter mit der iShares Core-ETF-Familie eine neue Produktreihe auf den Markt „mit Gebühren, die zu den geringsten auf dem europäischen ETF-Markt gehören“, so der ETF-Marktführer. Tatsächlich zählen die iShares ETFs auf den EURO STOXX 50, FTSE 100 und S&P 500 mit Gesamtkosten von jeweils 10 Basispunkten zu den günstigsten – gerade einmal 1 Pünktchen mehr als die 0,09 Prozent, die die Deutsche Bank für einen Teil ihrer vergleichbaren ETFs verlangt.
Allerdings sind die Core-Produkte von iShares längst nicht allein auf weiter Flur. Es handelt sich bei diesen Produkten überwiegend um relativ neue Fonds. Die Flaggschiffe von iShares, die das höchste Vermögen auf sich vereinen, weisen nach wie vor die alten Gebühren auf – und die sind längst nicht so wettbewerbsfähig wie die neuen Core-Fonds.
So kostet der im Jahr 2009 aufgelegte iShares Core MSCI World (ISIN: IE00B4L5Y983) jährlich 20 Basispunkte. Das durchaus wettbewerbsfähig. Für den ältesten iShares ETF auf den MSCI World (IE00B0M62Q58), der 5,6 Milliarden Euro auf die Waage bringt, werden dagegen unverändert 55 Basispunkte pro Jahr fällig.
Ähnlich das Bild beim iShares Core EURO STOXX 50 (IE00B53L3W79). Der Anfang 2010 aufgelegte Fonds kostet nur 10 Basispunkte. Allerdings stecken nur 182 Millionen Euro in diesem Fonds. Der größte iShares ETF auf den EURO STOXX 50 mit der ISIN IE0008471009, der ein Vermögen von gut 6,2 Milliarden Euro aufweist, kostet dagegen unverändert 35 Basispunkte.
Der im Jahr 2000 aufgelegte iShares FTSE 100 (IE0005042456), der 5,23 Milliarden Euro auf die Waage bringt, kostet jährlich hohe 40 Basispunkte. Der 2010 aufgelegte Core FTSE 100 kostet mit 10 Basispunkten pro Jahr gerade einmal ein Viertel. In ihm sind nur 141 Millionen Euro investiert. Bezeichnenderweise weist der iShares Core DAX unverändert 16 Basispunkte pro Jahr an laufenden Kosten auf. Es handelt sich um eines der wenigen iShares-Core-Produkte, die lediglich umbenannt wurden und keine Dublette sind.
Die Cash Cows dürfen nicht sterben
Die Erklärung für diese Gebührenspreizungen bei ETFs auf die identischen Indizes ist recht einfach: die meisten Anbieter senken die Kosten eben nicht auf breiter Front bei allen Produkten (so, wie es die Commerzbank jüngst getan hat). Denn das würde sich unmittelbar auf die Gewinn- und Verlust-Rechnung durchschlagen. Wer selektiv vorgeht und die Gebühren nur bei den kleineren ETFs senkt bzw. die niedrigen Gebühren nur bei neu aufgelegten ETFs einführt, schont seine Cash-Cows. Zumindest eine gewisse Zeit lang, frei nach dem Motto: eine schleichende Abschmelzung des Vermögens ist besser als der plötzliche Tod.
Interessant ist dabei, dass die Anbieter die Gewissheit haben, dass die meisten ihrer Cash Cows nicht von heute auf morgen vom Fleisch fallen werden. Denn institutionelle Anleger – die Mehrheit der Investoren in ETFs – können in der Regel nicht im großen Stil in die neuen, in aller Regel relativ kleinen Produkte investieren. Denn Grossanleger sind Restriktionen auferlegt, wie viel sie an einem einzelnen Fonds besitzen dürfen. Wohl kaum ein institutioneller Anleger wird in der Lage oder aus Risiko-Überlegungen willens sein, mehr als fünf oder zehn Prozent am Vermögen eines einzelnen Fonds zu halten. Diese Schwellen dürften häufig bei einem Fondsvermögen von 50, 100 oder sogar 150 Millionen Euro erreicht sein. Die kleinen und günstigen ETFs werden also vorerst relativ klein bleiben.
Gegen ein dramatisches Abschmelzen vieler Alt-ETFs spricht auch die Tatsache, dass die Konkurrenz nicht so groß ist, wie es auf den ersten Blick scheint. Viele Anleger ziehen physisch replizierende ETFs Swap-basierten Produkten vor. Wem also die Gebühren bei iShares und db x-Trackers zu hoch sind, findet zwar zahlreiche Swap-basierte Alternativen, nicht aber unbedingt viele preislich günstigere vollreplizierende Produkte.
Handeln lohnt sich ... allerdings nicht immer
Und die Moral der Geschichte? Gerade die langjährigen Privatanleger in ETFs sollten bei den Kosten genau nachschauen und sich nicht von den angekündigten Gebührensenkungen blenden lassen. In der Regel werden sie nicht die Nutzniesser der schönen neuen Gebührenwelt sein. Häufig dürfte ein Produkt-Switch erforderlich sein, um in den Genuss tiefer Kosten zu kommen.
Allerdings sollten Privatanleger das Kind nicht mit dem Bade ausschütten und blind in neue Core-Fonds investieren. In Deutschland kann es aus steuerlichen Gründen sinnvoll sein, an den relativ teuren ETFs festzuhalten. Wer ETFs als Langfristanlege versteht und vor dem Jahr 2009 investierte, muss keine Abgeltungssteuer auf die Kursgewinne bzw. (bei thesaurierenden ETFs) Dividenden zahlen. Wer jetzt den Switch macht, muss bei einem erneuten Verkauf die Abgeltungssteuer berappen.
Hinzu kommt, dass bei einigen Fonds weitere Überlegungen hinter relativ hohen Gebühren stehen. So verzichtet der bereits erwähnte db x-trackers FTSE 100 (LU0838780707) im Gegensatz zum größeren physisch replizierenden FTSE-ETF auf Wertpapierleihe. Der Verzicht auf die Leiheerträge ist also ein Grund für die 21 Basispunkte Unterschied zwischen den Kosten der beiden Produkte auf den identischen Index. Hinschauen lohnt sich also auch für die Anleger, die das System der Preisspreizung bei ETFs identischer Anbieter auf identische Indizes verstanden haben.