Von Cash-burnern und Globalisierungsgewinnern

Entschuldung allerorten: Wir wollten wissen, wie der Stand der Dinge bei Europas Branchen ist. Teil II: Autohersteller und Telekomunternehmen.

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Wir haben im ersten Teil unserer Umschau zum Stand der Entschuldung von Europas Unternehmen die Branchen Rohstoffe und Konsum vorgenommen (lesen Sie hier mehr). Wir kommen jetzt zu Automobilherstellern und Telekomunternehmen.

Europas Autohersteller operieren seit Jahren in einem Umfeld, das von Wachstumsanämie geprägt ist. Seit dem Umsatzsprung im Jahr 2009 (Sie wissen schon: die Abwrackprämie, die Autofahrer happy gemacht hat und Autoherstellern in vielen Ländern einen wichtigen Schub gebracht hat) gehen die Zulassungszahlen in Europa stetig zurück. Interessanterweise haben sich die europäischen Autohersteller für das Kontraktionsszenario (das auch dieses Jahr eintreten dürfte) gewappnet und überdurchschnittlich hohe Cash-Bestände aufgebaut. Man muss wissen, dass aufgrund der Kapitalintensität des Geschäfts Autohersteller im Vergleich zu anderen Branchen traditionell substanzielle Kapitalpuffer aufweisen. Diese Puffer sind in diesen Zeiten besonders üppig.

Aufgrund dieser speziellen Konstellation in der Autobranche reicht der Blick auf die (niedrigen) debt to equity ratios nicht aus. Wichtig ist für die Beurteilung von Autoherstellern vielmehr ein Bündel an Faktoren: die Preispolitik, die Aufschluss über die Margen gibt; die Frage, wie stark der Konjunkturzyklus ausgeprägt ist sowie die geographische Ausrichtung des Herstellers und seine Standortpolitik.

Gerade letzteres ist derzeit ein Erfolgsfaktor für einige europäische Autobauer. So hat das schwache Wachstum in Europa die Cashflow-Entwicklung von BMW und Volkswagen wenig beeinträchtigt, da die deutschen Autobauer nicht so stark von ihrem Heimatmarkt abhängen. Aber auch die Produktion in Niedriglohnländern sowie ihre Positionierung in Premiumsegmenten hat deutschen Autobauern zu stabilen Cash-Beständen und relativ niedrigen Verschuldungsquoten verholfen.

Wichtig für das Verständnis der finanziellen Stabilität der Autohersteller ist im derzeit schwachen Konjunkturumfeld vielmehr die Frage nach der Cash-burn-Rate

Weniger freundlich gestaltet sich indes das Bild bei Herstellern wie Fiat und – noch extremer - Peugeot, die hohe Cash-burn-Raten aufweisen. Während die Premium-Marken Maserati und Ferrari sowie die starke Stellung in Brasilien die Verluste von Fiat auf dem heimischen Markt abfedern, ist die Lage bei Peugeot deutlich schlechter. Die Franzosen sind in hohem Maße von ihrem Heimatmarkt abhängig, haben wenig im Premium-Segment vorzuweisen und die Produktion nicht in Niedriglohnländer verlagert. Insofern geben die von den hohen Cash-Quoten niedrig gehaltenen Verschuldungsquoten bei Autoherstellern nicht das ganze Bild wieder. Wichtig für das Verständnis der finanziellen Stabilität der Autohersteller ist im derzeit schwachen Konjunkturumfeld vielmehr die Frage nach der Cash-burn-Rate.

Sie waren einmal Wachstumsunternehmen: Europas Telekomkonzerne

Entschuldung und Konsolidierung sind die großen Themen für Europas Telekomkonzerne. Schon seit Jahren. Dies wird am augenscheinlichsten von der stark veränderten Dividendenpolitik illustriert. In den vergangenen 12 Monaten haben France Telecom, Portugal Telecom, Vivendi, Deutsche Telekom ihre Dividende mehr oder weniger deutlich reduziert, und Telefonica, Telecom Italia und KPN haben ihre Dividenden besonders kräftig zusammengestrichen. Schuldentilgung schlägt heute also die traditionelle Politik der üppigen Ausschüttungen. Und selbst bei Unternehmen wie BT und Vodafone, die ihre Dividenden erhöht haben, steht der Schuldenabbau im Fokus.

Erschwert wird die Lage vieler Telekom-Unternehmen durch die absolut hohe Verschuldung, die eine laufende Refinanzierungen nötig macht. Das kommt gerade den Konzernen aus Europas Süden, etwa Telecom Italia und Telefonica, teuer zu stehen, da sich deren Refinanzierungskonditionen an den Emissionskonditionen der Heimatländer orientieren.

Entschuldung und Konsolidierung sind schon seit Jahren die großen Leitmotive für Europas Telekomkonzerne

Dass eine Rückkehr zu den expansiven Praktiken der Vergangenheit im heutigen Umfeld gefährlich sein kann, zeigt das Beispiel von KPN: Das Management erhöhte gleichzeitig die Dividende und startete ein Aktienrückkaufprogramm. Als zeitgleich jedoch die Umsätze infolge des veränderten Kundenverhaltens bei der Telefonie wegbrachen, stand das Rating von KPN auf der Kippe. Das Rückkaufprogramm wurde gestoppt, die Dividende gestrichen und eine Kapitalerhöhung angekündigt, um das Schuldenniveau zu drücken.

Diese Dynamik könnte übrigens auch Belacom treffen, das die Dividenden bisher nicht angerührt hat und 2012 sogar eine Sonderdividende gezahlt hat. Letztere übertraf sogar das Niveau des freien Cashflows. Auch wenn Belgacom die mit Abstand niedrigste Schuldenquote unter Europas Telekomkonzernen aufweist, ist die Dividendenpolitik kaum als nachhaltig zu bezeichnen: Die freien Cashflows dürften weder in diesem noch im nächsten Jahr die bisher gezahlten Dividenden tragen – eine weitere Dividendenkürzung liegt also in der Luft.

Doch was ist mit den Verursachern der Finanzkrise? Wie haben sich die Banken seit 2008/09 in Sachen Deleveraging geschlagen? Lesen Sie hier weiter.

 

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Über den Autor

Morningstar Equity Analysts  Morningstar stock and fund analysts cover 2,000 mutual funds, 2,100 equities, and 300 exchange-traded funds.